EuGH berät über Klage gegen Flüchtlingsquoten

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat am 11.05.2017 über die Klagen Ungarns und der Slowakei gegen die im September 2015 beschlossene Flüchtlingsverteilung per Quote verhandelt. Medienberichten zufolge befürchten die klagenden  Länder einen Dammbruch für aufgezwungene “Massenansiedlungen“ und die Zunahme von Terrorismus. Mit einem Urteil ist erst im Herbst zu rechnen.

Hintergrund

Die EU-Staaten haben im September 2015 gegen den Willen der Slowakei, Ungarns, Tschechiens und Rumäniens die Umverteilung von bis zu 120.000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland beschlossen. Dies sollte die beiden Hauptankunftsländer für Bootsflüchtlinge entlasten. Dagegen wehren sich die Regierungen in Bratislava und Budapest. Es geht eher ums Prinzip als um große Menschenmengen: Ungarn müsste laut Beschluss bis zu 1.294 Menschen aufnehmen, die Slowakei 802 Menschen. Ungarn hat keinen dieser Migranten aufgenommen, die Slowakei 16. Beide Länder begründen ihre Klagen mit vermeintlichen Formfehlern und zweifeln die Rechtsgrundlage des Beschlusses an. Aus ihrer Sicht steht dieser außerdem im Widerspruch zu der gemeinsamen Gipfelerklärung der europäischen Staats- und Regierungschefs vom Juni 2015.

Ungarn: Umverteilungsquote als Einfallstor für aufgezwungene "Massenansiedlungen"

Der slowakische Regierungschef Robert Fico steht in seinem Land unter dem Druck teils fremdenfeindlicher politischer Konkurrenten. Im Parlament sitzen seit der vom Terrorismus- und Flüchtlingsthema dominierten Parlamentswahl im März 2016 zwei rechtspopulistische Parteien und zusätzlich die offen neofaschistisch auftretende “Volkspartei Unsere Slowakei“, die mit rassistischen Parolen zur drittstärksten Oppositionspartei aufgestiegen ist. In der traditionell pro-europäischen Bevölkerung hat die Flüchtlingskrise Skepsis entstehen lassen. Dass die Slowakei beim Beschluss über die EU-Flüchtlingsquoten einfach überstimmt wurde, haben die Menschen als Schock empfunden. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban ist gegen jede Art von Migration, weil er gegen die “Vermischung“ von Völkerschaften ist. “Die ethnische Homogenität muss bewahrt werden!“, fordert er öffentlich. Darüber hinaus betrachtet man in Budapest jede Umverteilungsquote als Einfallstor für spätere aufgezwungene “Massenansiedlungen“ von Fremden.

Ungarischer Justizminister: Verteilung in Europa falsches Signal

Justizminister László Trócsányi sagte der Zeitung “Die Welt“, Flüchtlingsquoten zur Verteilung in Europa sendeten grundsätzlich ein falsches Signal aus: “Kommt ruhig nach Europa, wir kümmern uns dann um die Verteilung.“ Die Migranten wollten zudem nicht nach Rumänien, Bulgarien oder Ungarn, sondern in andere Länder. Orban und seine Regierung betrachten Flüchtlinge als potenzielle Terroristen. Eine Integration von anerkannten Flüchtlingen oder Schutzbedürftigen findet nicht statt. Seit April werden die wenigen Asylbewerber, die ins Land gelassen werden, in zwei sogenannten Transitzonen unmittelbar an der Grenze zu Serbien festgehalten. In weiteren Lagern in Ungarn sind noch ein paar Dutzend Flüchtlinge.

Slowakei sieht Zusammenhang zwischen Flüchtlingen und Terrorismus

In der Slowakei - einem Land abseits der wichtigen Flüchtlingsrouten - gibt es kaum Ausländer. Regierungschef Fico betont immer wieder, es gebe einen klaren Zusammenhang zwischen der “unkontrollierten Immigration“ - er meint den Andrang des Sommers 2015 und der folgenden Monate - und dem Terrorismus. Unter Generalverdacht stehen pauschal muslimische Flüchtlinge. Die wenigen Migranten, die es ins Land verschlägt, werden in Auffanglager wie beispielsweise Humenne in der Ostslowakei gebracht und dort eher wie Kriminelle als wie Asylbewerber behandelt.

Redaktion beck-aktuell, Gregor Mayer, Christoph Thanei, Martina Herzog, 11. Mai 2017 (dpa).

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