Bei mehreren Arbeitsverträgen mit demselben Arbeitgeber Gesamtbetrachtung für Mindestruhezeit maßgeblich
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Hat ein Arbeitnehmer mit demselben Arbeitgeber mehrere Arbeitsverträge geschlossen, gilt die tägliche Mindestruhezeit für die Verträge zusammen genommen und nicht für jeden der Verträge für sich genommen. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Die Mindestruhezeit könnte nicht gewährleistet werden, wenn sie für jeden Vertrag getrennt geprüft würde.

Akademie soll Projektmittel zurückzahlen

Die Akademie für wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge in Bukarest hatte von den rumänischen Behörden nicht rückzahlbare europäische Mittel für ein Projekt zur Personalentwicklung in den Wirtschaftswissenschaften erhalten. Im Juni 2018 belastete das Bildungsministerium die Akademie mit einer Haushaltsforderung von 13.490,42 rumänischen Lei (RON) (ungefähr 2.800 Euro), die Gehaltskosten für Arbeitnehmer der Arbeitsgruppe zur Durchführung des Projekts entsprach. Das Ministerium erklärte die Kosten insoweit für nicht erstattungsfähig, weil die tägliche Höchstarbeitszeit (13 Stunden) überschritten worden sei.

Tägliche Höchstarbeitszeit aufgrund mehrerer Arbeitsverträge überschritten 

Denn in der Zeit von Oktober 2012 bis Januar 2013 hätten bei der Akademie beschäftigte Sachverständige aufgrund von mehreren Arbeitsverträgen an bestimmten Tagen die im Rahmen der Regelarbeitszeit gearbeiteten Stunden, also acht Stunden pro Tag, mit den im Rahmen des Projekts oder im Rahmen von anderen Projekten oder Tätigkeiten gearbeiteten Stunden kumuliert. Die Gesamtzahl der pro Tag geleisteten Arbeitsstunden habe für diese Sachverständigen die in den Anweisungen der das Projekt verwaltenden Behörde vorgesehene Obergrenze von 13 Stunden pro Tag überschritten.

Einzel- oder Gesamtbetrachtung für tägliche Mindestruhezeit maßgeblich?

Das rumänische Vorlagegericht wollte vom EuGH im Vorabentscheidungsverfahren wissen, ob die in Art. 3 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG vorgesehene tägliche Mindestruhezeit für alle von einem Arbeitnehmer mit demselben Arbeitgeber geschlossenen Arbeitsverträge zusammen gilt oder für jeden dieser Verträge für sich genommen.

EuGH: Sämtliche Arbeitsverträge zusammen zu betrachten

Der EuGH hat entschieden, dass die tägliche Mindestruhezeit für alle Verträge zusammen genommen und nicht für jeden einzelnen Vertrag gilt. Die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG verpflichte die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass "jedem Arbeitnehmer" pro 24-Stunden-Zeitraum eine Mindestruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden gewährt wird. Die "Ruhezeit" sei als jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit definiert. "Ruhezeit" und "Arbeitszeit" seien somit Begriffe, die einander ausschlössen. Die Arbeitszeitrichtlinie sehe keine Zwischenkategorie zwischen den Arbeitszeiten und den Ruhezeiten vor.

Mindestruhezeit wäre anderenfalls nicht gewährleistet

Die Anforderung der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG, dass jedem Arbeitnehmer täglich mindestens elf zusammenhängende Ruhestunden gewährt werden, könne jedoch nicht erfüllt werden, wenn diese Ruhezeiten für jeden Vertrag zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber getrennt geprüft würden. Denn in einem solchen Fall könnten die Stunden, die im Rahmen eines Vertrags als Ruhezeiten angesehen werden, im Rahmen eines anderen Vertrags Arbeitszeiten darstellen. Da jedoch ein und derselbe Zeitraum nicht gleichzeitig als Arbeitszeit und als Ruhezeit eingestuft werden könne, seien die Arbeitsverträge, die ein Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber geschlossen habe, folglich zusammen zu prüfen.

Richtlinienziel des Gesundheitsschutzes bestätigt Auslegung

Diese Auslegung werde auch durch das Ziel der Richtlinie bestätigt, Mindestvorschriften festzulegen, die die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer durch eine Angleichung namentlich der innerstaatlichen Arbeitszeitvorschriften verbessern sollen. Mit diesem Ziel solle ein besserer Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer gewährleistet werden, indem diesen Mindestruhezeiten gewährt werden.

EuGH, Urteil vom 17.03.2021 - C-585/19

Redaktion beck-aktuell, 17. März 2021.