EuGH: Ort des Startflughafens bei einheitlicher Buchung für Ausgleichszahlung für annulierten letzten Teilflug zuständig

Bei Flügen, für die eine bestätigte einheitliche Buchung vorliegt und die in mehreren Teilflügen von verschiedenen Luftfahrtunternehmen ausgeführt werden, kann der wegen Annullierung des letzten Teilflugs bestehende Ausgleichsanspruch vor den Gerichten des Abflugorts des ersten Teilflugs geltend gemacht werden. Dies geht aus einem Beschluss des Europäischen Gerichtshofes vom 13.02.2020 hervor (Az.: C-606/19).

Drei Teilflüge von unterschiedlichen Airlines durchgeführt – Dritter Teilflug annulliert

Zwei Fluggäste hatten einen Flug mit Anschlussflügen gebucht, für den eine bestätigte einheitliche Buchung vorliegt. Der Flug umfasste drei Teilflüge: Der erste Teilflug von Hamburg nach London wurde von dem britischen Luftfahrtunternehmen British Airways durchgeführt. Die beiden übrigen, der eine von London nach Madrid und der andere von Madrid nach San Sebastian, wurden von dem spanischen Luftfahrtunternehmen Iberia durchgeführt. Der dritte Teilflug wurde annulliert, ohne dass die Fluggäste rechtzeitig informiert wurden.

Ausgleichsansprüche vor deutschem Gericht geltend gemacht

Flightright, ein Unternehmen mit Sitz in Potsdam, an das die beiden Fluggäste ihre etwaigen Ausgleichsansprüche abgetreten hatten, hat daraufhin beim Amtsgericht Hamburg gegen Iberia Klage auf Ausgleichszahlungen erhoben. Der auf der Grundlage der Fluggastverordnung verlangte Betrag beläuft sich auf 250 Euro pro Fluggast, da die Entfernung zwischen Hamburg und San Sebastian etwa 1.433 Kilometer beträgt.

AG Hamburg will Frage der Zuständigkeit von EuGH klären lassen

Das Amtsgericht Hamburg zweifelte an seiner Zuständigkeit für die Entscheidung über den Rechtsstreit, der den annullierten Teilflug betrifft, da der Abflug- und der Ankunftsort dieses Teilflugs, nämlich Madrid beziehungsweise San Sebastian, jeweils außerhalb seiner Zuständigkeit liegen. Diese Frage erfordere die Auslegung der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit (VO (EU) Nr. 1215/2012). Das deutsche Gericht wies darauf hin, dass der EuGH in einem früheren Urteil (NJW 2019, 2595) entschieden hat, dass im Rahmen eines Flugs mit Anschlussflügen, der Gegenstand einer einzigen Buchung war, das Luftfahrtunternehmen, das den ersten Teilflug durchgeführt hat, dessen Abflugort im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts lag, im Rahmen einer auf der Grundlage der Fluggastverordnung erhobenen Klage auf Ausgleichszahlungen für die Gesamtheit der Teilflüge passivlegitimiert ist. Angesichts dieses Urteils frage sich das AG Hamburg, ob auch das Luftfahrtunternehmen, das mit dem letzten Teilflug eines solchen Flugs beauftragt ist, auf dieser Grundlage auf Ausgleichszahlungen bei ihm verklagt werden kann.

EuGH bejaht Zuständigkeit der Gerichte des Abflugorts des ersten Teilfluges

Der EuGH hat nun entschieden, dass die Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit dahin auszulegen sei, dass bei Flügen, für die eine bestätigte einheitliche Buchung vorliegt und die in mehreren Teilflügen von zwei verschiedenen Luftfahrtunternehmen ausgeführt werden, Klagen auf Ausgleichszahlungen wegen Annullierung des letzten Teilflugs bei den Gerichten des Abflugorts des ersten Teilflugs erhoben werden können, selbst wenn sie sich gegen das mit dem letzten Teilflug beauftragte Luftfahrtunternehmen richten.

Abflugort des ersten Teilflugs kann Erfüllungsort sein

Nach Auffassung des Gerichtshofs ist bei einem Vertrag über eine Beförderung im Luftverkehr, der durch eine bestätigte einheitliche Buchung für die gesamte Reise gekennzeichnet ist, das Luftfahrtunternehmen verpflichtet, einen Fluggast von A nach D zu befördern. Daher könne bei einem Flug mit Anschlussflügen, der durch eine bestätigte einheitliche Buchung gekennzeichnet ist und mehrere Teilflüge umfasst, der Abflugort des ersten Teilflugs als einer der Orte, an denen die Dienstleistungen, die Gegenstand eines Beförderungsvertrags im Luftverkehr sind, hauptsächlich erbracht werden, der Erfüllungsort dieses Flugs im Sinne der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit sein.

Grundsatz der Vorhersehbarkeit gewahrt

Das Kriterium des Abflugorts des ersten Teilflugs genüge sowohl dem Erfordernis der Nähe zwischen dem Beförderungsvertrag im Luftverkehr und dem zuständigen Gericht als auch dem Grundsatz der Vorhersehbarkeit, die in der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit festgelegt seien, so der EuGH. Dadurch könne sowohl der Kläger als auch der Beklagte das Gericht an dem im Beförderungsvertrag festgelegten Abflugort des ersten Teilflugs als Gericht ausmachen, bei dem eine Klage erhoben werden kann. Hinsichtlich der Möglichkeit, das mit dem letzten Teilflug beauftragte Luftfahrtunternehmen (Iberia) bei dem Gericht zu verklagen, in dessen Zuständigkeitsbereich (Hamburg) der Abflugort des ersten Teilflugs liegt, stellt der EuGH fest, dass bei einem Luftfahrtunternehmen, das in keiner Vertragsbeziehung mit dem Fluggast steht, davon ausgegangen wird, dass es im Namen der Person handelt, die den Vertrag abgeschlossen hat und Verpflichtungen erfüllt, die ihren Ursprung im Luftverkehrsvertrag haben.

EuGH, Beschluss vom 13.02.2020 - C-606/19

Redaktion beck-aktuell, 20. Februar 2020.