Automatische Verlängerung der Strände-Konzessionen in Italien unionsrechtswidrig

Die Konzessionen für die Nutzung der italienischen Strände dürfen nicht automatisch verlängert werden, sondern müssen in einem neutralen und transparenten Auswahlverfahren vergeben werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Die maßgeblichen Regelungen der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG seien unmittelbar anwendbar. Entgegenstehende nationale Vorschriften müssten unangewendet bleiben.

Dienstleistungsrichtlinie schreibt Auswahlverfahren vor

Nach Art. 12 Abs. 1 der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG müssen die Mitgliedstaaten bei der Vergabe von Konzessionen für die Nutzung im öffentlichen Eigentum stehender Liegenschaften am Meer ein Verfahren zur Auswahl der Bewerber durchführen, wenn die Zahl der für eine bestimmte Tätigkeit verfügbaren Genehmigungen aufgrund der Knappheit der natürlichen Ressourcen begrenzt ist. Die Genehmigung wird gemäß Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie für einen angemessen befristeten Zeitraum gewährt und darf nicht automatisch verlängert werden. Obwohl diese Regeln in die italienische Rechtsordnung umgesetzt wurden, ordnete ein Gesetz von 2018 die Verlängerung der laufenden Konzessionen bis zum 31.12.2033 an.

Strandkonzessionen dennoch automatisch verlängert

Gemäß diesem Gesetz verlängerte die Gemeinde Ginosa auf ihrem Gebiet die Konzessionen für die Strandnutzung. Die Wettbewerbsaufsicht monierte die Verlängerung und erhob schließlich Klage auf Aufhebung der Entscheidung. Das mit der Sache befasste Regionale Verwaltungsgericht Apulien rief den EuGH zur Auslegung der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG an. Gegen diese verstoße das Gesetz von 2018 zwar, so das Gericht. Es bezweifelte aber, dass die Richtlinie unmittelbar anwendbar ist und die entgegenstehenden nationalen Vorschriften verdrängt. Außerdem hätte sie nach seiner Ansicht als Harmonisierungsrichtlinie einstimmig und nicht mit der Mehrheit der Stimmen des Rates hätte erlassen werden müssen.

EuGH: Richtlinie gültig, Art. 12 Abs. 1 und 2 unmittelbar anwendbar

Laut EuGH ist die Richtlinie gültig. Sie habe zum Ziel, die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit durch Dienstleistungserbringer sowie den freien Dienstleistungsverkehr zu erleichtern. Der Rat habe daher zutreffend gemäß den Bestimmungen des Vertrages mit qualifizierter Mehrheit entschieden. Ferner seien die Regelungen, die ein neutrales transparentes Auswahlverfahren vorschreiben und eine automatische Konzessionsverlängerung verbieten, unmittelbar anwendbar. Die nationalen Gerichte und die Verwaltungsbehörden einschließlich der kommunalen müssten sie daher anwenden und die damit nicht in Einklang stehenden nationalen Vorschriften unangewendet lassen.

Konzession muss kein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse aufweisen

Weiter hat der EuGH festgestellt, dass Art. 12 Abs. 1 und 2 der Richtlinie auf alle Konzessionen für die Nutzung im öffentlichen Eigentum stehender Liegenschaften am Meer anwendbar sei. Es sei insoweit unerheblich, ob sie ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse aufweise oder einen Sachverhalt betreffe, bei dem alle erheblichen Merkmale nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinauswiesen. Ferner dürfe die Knappheit der natürlichen Ressourcen und der zur Verfügung stehenden Konzessionen in Kombination eines abstrakt-generellen Ansatzes auf nationaler Ebene und eines einzelfallbasierten, auf einer Analyse des Küstengebiets der betreffenden Gemeinde beruhenden Ansatzes beurteilt werden. Es komme darauf an, dass die Beurteilungskriterien auf objektiven, nicht diskriminierenden, transparenten und verhältnismäßigen Kriterien beruhen.

EuGH, Urteil vom 20.04.2023 - C-348/22

Redaktion beck-aktuell, 20. April 2023.