EuGH: Ausschluss von britischer Rente diskriminiert verheiratete Transgender-Person

Eine Person, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hat, darf nicht gezwungen sein, ihre zuvor geschlossene Ehe für ungültig erklären zu lassen, wenn sie eine Ruhestandsrente ab dem für Angehörige des erworbenen Geschlechts geltenden Alter in Anspruch nehmen möchte. Eine solche Voraussetzung stelle eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar, entschied der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 26.06.2018 in der Rechtssache C-451/16.

Britische Ruhestandsrente wurde mangels anerkannter Geschlechtsumwandlung abgelehnt

Die 1948 als männlich geborene und als solche eingetragene Person heiratete 1974 eine Frau. Im Jahr 1991 begann die Person als Frau zu leben, und im Jahr 1995 unterzog sie sich einer operativen Geschlechtsumwandlung. Die Person verfügt jedoch über keine vollständige Bescheinigung über ihre Geschlechtsumwandlung, die nach der nationalen Regelung nur nach Ungültigerklärung ihrer Ehe ausgestellt worden wäre. Das Ehepaar wollte aus religiösen Gründen verheiratet bleiben. Nach Vollendung des 60. Lebensjahrs stellte die Person einen Antrag auf Erhalt der staatlichen Ruhestandsrente. Der Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass mangels einer vollständigen Bescheinigung über die Anerkennung der Geschlechtsumwandlung in Bezug auf das Rentenalter keine Behandlung als Frau erfolgen könne. Die dagegen gerichtete Klage berief sich auf eine gegen das Unionsrecht verstoßende Diskriminierung. Das oberste britische Gericht fragte den Gerichtshof, ob eine solche Situation mit der Richtlinie vereinbar ist.

EuGH: Diskriminierungsverbot gilt auch für Anerkennung der Geschlechtsumwandlung

Der Gerichtshof hat zunächst darauf hingewiesen, dass er im vorliegenden Fall nicht mit der Frage befasst sei, ob die rechtliche Anerkennung einer Geschlechtsumwandlung ganz allgemein davon abhängig gemacht werden könne, dass eine vor der Geschlechtsumwandlung geschlossene Ehe für ungültig erklärt werde. Er hat festgestellt, dass die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsumwandlung und die Eheschließung zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten betreffend den Personenstand fallen würden, die Mitgliedstaaten jedoch bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit in diesem Bereich das Unionsrecht zu beachten hätten, insbesondere den Grundsatz der Nichtdiskriminierung. Der Gerichtshof hat seine Rechtsprechung bestätigt, wonach das mit entsprechender Richtlinie geregelte Verbot der Diskriminierung in Bezug auf staatliche Leistungen auch für Diskriminierungen gelte, die ihre Ursache in der Geschlechtsumwandlung des Betroffenen hätten.

Eheungültigkeitserfordernis benachteiligt Personen mit Geschlechtsumwandlung

Dabei sei für die Anwendung der Richtlinie von einer Geschlechtsumwandlung auszugehen, wenn eine Person während eines erheblichen Zeitraums in einer anderen Geschlechtszugehörigkeit als der bei ihrer Geburt eingetragenen gelebt und sich einer operativen Geschlechtsumwandlung unterzogen habe. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Voraussetzung, wonach die Ehe für ungültig erklärt werden muss, damit eine staatliche Ruhestandsrente ab dem für Personen des erworbenen Geschlechts geltenden gesetzlichen Rentenalter gewährt werden kann, nur auf Personen anwendbar sei, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen haben. Folglich werde nach der britischen Regelung eine Person, die sich nach ihrer Eheschließung einer Geschlechtsumwandlung unterzogen habe, weniger günstig behandelt, als eine Person, die ihr bei der Geburt eingetragenes Geschlecht beibehalten habe und verheiratet sei.

Personen mit Geschlechtsumwandlung nach Eheschließung dürfen nicht unterschiedlich behandelt werden

Der Gerichtshof hat geprüft, ob die Situation einer Person, die sich nach ihrer Eheschließung einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hat, mit der einer verheirateten Person vergleichbar ist, die ihr bei der Geburt eingetragenes Geschlecht beibehalten hat. Diese Vergleichbarkeit sei Voraussetzung für die Feststellung, ob eine Ungleichbehandlung eine unmittelbare Diskriminierung darstelle. Hierzu hat der Gerichtshof festgestellt, dass das gesetzliche System der Ruhestandsrente im Vereinigten Königreich gegen das Risiko des Alters schützen soll, indem es der betreffenden Person unabhängig von ihrem Ehestand einen Anspruch auf eine Ruhestandsrente verleiht, der nach Maßgabe der während ihres Berufslebens eingezahlten Beiträge erworben wird. Der Gerichtshof hat daraus geschlossen, dass die Person, die sich nach ihrer Eheschließung einer Geschlechtsumwandlung unterzogen hat, mit der einer verheirateten Person vergleichbar ist, die ihr bei der Geburt eingetragenes Geschlecht beibehalten hat.

Britische Regelung stellt eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dar

Das Ziel der Voraussetzung der Ungültigerklärung der Ehe (das darin bestehe, gleichgeschlechtliche Ehen zu verhindern) habe mit dem System der Ruhestandsrente nichts zu tun. Folglich ändere dieses Ziel nichts daran, dass in Anbetracht des Gegenstands und der Voraussetzungen für die Gewährung der Rente die Situation der beiden genannten Personenkategorien vergleichbar sei. Da die fragliche Ungleichbehandlung unter keine der nach dem Unionsrecht zulässigen Ausnahmen falle, ist der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass die britische Regelung eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstelle und somit nach der Richtlinie verboten sei.

EuGH, Urteil vom 26.06.2018 - C-451/16

Redaktion beck-aktuell, 26. Juni 2018.

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