Ausschluss Hausangestellter von Leistungen bei Arbeitslosigkeit ist EU-rechtswidrig

Die spanische Regelung, mit der Hausangestellte von Leistungen bei Arbeitslosigkeit ausgeschlossen werden, verstößt gegen das Unionsrecht. Da es sich bei den Hausangestellten fast ausschließlich um Frauen handelt, stelle der Ausschluss eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts beim Zugang zu Leistungen der sozialen Sicherheit dar. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Hausangestellte können in Spanien keine Leistungen bei Arbeitslosigkeit erwerben

Der Schutz des von der spanischen Regelung vorgesehenen "Besonderen Systems der sozialen Sicherheit für Hausangestellte" umfasst nicht den Schutz bei Arbeitslosigkeit. Eine bei einer natürlichen Person beschäftigte Hausangestellte ist seit Januar 2011 im Besonderen System versichert. Im November 2019 beantragte sie bei der TGSS, der Allgemeinen Sozialversicherungskasse Spaniens, zur Leistung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung zugelassen zu werden, um einen Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu erwerben. Die TGSS lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, die Möglichkeit sei durch die spanische Regelung ausdrücklich ausgeschlossen. Die Hausangestellte klagte hiergegen vor einem spanischen Verwaltungsgericht, das den Gerichtshof um eine Auslegung der Richtlinie zur Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit (RL 79/7/EWG) bat. 

EuGH: Benachteiligung liegt wegen großen Frauenanteils unter Hausangestellten nahe

Der EuGH erläutert, nach der spanischen Regelung hätten alle Arbeitnehmer, die dem Allgemeinen System der sozialen Sicherheit, in das das Besondere System für Hausangestellte integriert ist, angehören, grundsätzlich Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Der Anteil weiblicher und männlicher Arbeitnehmer sei in Spanien offenbar weitgehend gleich. In der Gruppe der Hausangestellten sei das Verhältnis jedoch völlig anders, da Frauen angeblich über 95% dieser Gruppe ausmachten. Der Anteil der weiblichen Arbeitnehmer, die von der sich aus dem fraglichen Ausschluss ergebenden Ungleichbehandlung betroffen sind, sei also erheblich höher als der Anteil der männlichen Arbeitnehmer. Daher würde die nationale Regelung weibliche Arbeitnehmer in besonderer Weise benachteiligen und damit eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts enthalten, die gegen die Richtlinie verstößt, es sei denn, sie diene einem legitimen Ziel der Sozialpolitik und ist zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich.

Regelung nicht geeignet im Kampf gegen illegale Beschäftigung und Sozialbetrug

Die spanische Regierung und die TGSS machen geltend, der Ausschluss der Hausangestellten vom Schutz bei Arbeitslosigkeit hänge mit den Besonderheiten des Berufs, etwa dem Status der Arbeitgeber, zusammen, und diene dazu, das Beschäftigungsniveau stabil zu halten und illegale Beschäftigung und Sozialbetrug zu bekämpfen. Der Gerichtshof bestätigt, dass dies zwar legitime sozialpolitische Ziele seien, stellt aber fest, dass die spanische Regelung zur Erreichung dieser Ziele nicht geeignet ist, da sie im Hinblick auf diese Ziele nicht kohärent und systematisch angewandt wird. Die vom Schutz bei Arbeitslosigkeit ausgeschlossene Beschäftigungsgruppe dürfte sich nämlich nicht in qualifizierter Weise von anderen, nicht ausgeschlossenen Beschäftigungsgruppen unterscheiden. Diese anderen Gruppen von Beschäftigten, die am Wohnsitz nicht gewerbsmäßiger Arbeitgeber tätig sind oder deren Beschäftigungsbereich die gleichen Besonderheiten in Bezug auf Beschäftigungs-, Qualifikations- und Lohnniveau aufweist wie Hausangestellte, seien ähnlichen Risiken ausgesetzt, was ein geringeres Beschäftigungsniveau, Sozialbetrug und illegale Beschäftigung angeht, jedoch bei Arbeitslosigkeit alle geschützt.

Spanische Regelung schießt zudem über ihr Ziel hinaus

Außerdem hätten Versicherte im Besonderen System für Hausangestellte grundsätzlich Anspruch auf alle Leistungen des spanischen Allgemeinen Systems der sozialen Sicherheit außer den Leistungen bei Arbeitslosigkeit. Insbesondere decke das Besondere System unter anderem die Risiken Arbeitsunfall und Berufskrankheit. Da diese anderen Leistungen von der Gefahr des Sozialbetrugs genauso betroffen sein dürften wie die Leistungen bei Arbeitslosigkeit, würde es hier ebenfalls an Kohärenz fehlen. Letztlich gehe die spanische Regelung auch über das hinaus, was zur Erreichung der Ziele erforderlich ist, so der EuGH. Der Ausschluss vom Schutz bei Arbeitslosigkeit würde bedeuten, dass Hausangestellte auch keine anderen Leistungen der sozialen Sicherheit erhielten, auf die sie Anspruch hätten und deren Gewährung vom Erlöschen des Anspruchs auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit abhängt. Dieser Ausschluss würde daher zu noch weniger sozialem Schutz und dadurch zu einer sozialen Notlage führen.

EuGH, Urteil vom 24.02.2022 - C-389/20

Redaktion beck-aktuell, 24. Februar 2022.