Ausgleichszahlung nach Flugannullierung wegen Pilotenstreiks gefordert
Der Flug der SAS wurde am Abflugtag wegen eines Pilotenstreiks in Norwegen, Schweden und Dänemark, zu dem die Gewerkschaften aufgerufen hatten, annulliert. Das auf die Durchsetzung von Fluggastrechten spezialisierte Unternehmen Airhelp, an die ein Fluggast seine eventuellen Rechte gegenüber SAS abgetreten hatte, klagte bei einem schwedischen Gericht eine Ausgleichszahlung. SAS weigerte sich jedoch und argumentierte, der Streik ihrer Piloten sei ein "außergewöhnlicher Umstand" im Sinn der Flugastrechte-Verordnung. Das schwedische Gericht rief den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an, um klären zu lassen, ob ein gewerkschaftlich organisierter und rechtmäßiger Streik zur Durchsetzung unter anderem von Lohnerhöhungen unter den Begriff "außergewöhnliche Umstände" im Sinn der Verordnung fällt.
EuGH: "Außergewöhnlicher Umstand" nur bei Vorliegen von zwei Voraussetzungen
Der EuGH hat die Vorlagefrage verneint. Damit ein "außergewöhnlicher Umstand" vorliege, der die Airlines nach der Verordnung von ihren Entschädigungspflichten entbinde, müssten zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen dürften die Vorkommnisse ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens sein. Zum anderen dürften sie von der Airline nicht tatsächlich beherrschbar sein. Zudem sei dieser Begriff mit Blick auf das von der Verordnung bezweckte hohe Schutzniveau und den Ausnahmecharakter der Befreiung von der Ausgleichspflicht eng auszulegen.
Streik Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Arbeitgebers
Ein Streik als von der EU-Grundrechtecharta verbürgtes Recht der Arbeitnehmer sei als ein Vorkommnis anzusehen, das Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Arbeitgebers ist. Diese Auslegung müsse auch gelten, wenn der Arbeitgeber ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist, da auch die Maßnahmen in Bezug auf die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen der Mitarbeiter eines solchen Unternehmens unter dessen normale Geschäftsführung fallen. Somit handle es sich bei einem Streik, dessen Ziel sich darauf beschränke, gegenüber Luftfahrtunternehmen eine Gehaltserhöhung für die Piloten, eine Änderung ihrer Arbeitszeiten sowie eine bessere Planbarkeit der Arbeitszeit durchzusetzen, um ein Vorkommnis, das Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit dieses Unternehmens sei. Dies gelte insbesondere dann, wenn ein solcher Streik unter Beachtung der gesetzlichen Anforderungen organisiert wird.
Streik für Arbeitgeber vorhersehbar und beherrschbar
Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen könne sich auch nicht darauf zurückziehen, der Streik sei von ihm in keiner Weise tatsächlich beherrschbar gewesen. Denn erstens sei die Auslösung eines Streiks für jeden Arbeitgeber als eine vorhersehbare Tatsache anzusehen, insbesondere, wenn ein solcher Streik angekündigt wurde. Zweitens verfüge der Arbeitgeber grundsätzlich über die Mittel, sich darauf vorzubereiten und damit dessen Folgen gegebenenfalls abzufangen. Folglich könne ein Streik von Beschäftigten eines ausführenden Luftfahrtunternehmens nicht als "außergewöhnlicher Umstand" im Sinn der Verordnung angesehen werden, wenn er mit Forderungen in Bezug auf die Arbeitsbedingungen zwischen dem Unternehmen und seinen Beschäftigten verbunden ist, die im Rahmen des betriebsinternen sozialen Dialogs verhandelt werden können, was bei Gehaltsverhandlungen der Fall sei. Anders sei dies bei Vorkommnissen mit "externer" Ursache, die von diesem Unternehmen nicht beherrschbar seien. So liege es bei außerhalb der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens liegenden Streiks, etwa Streiks der Fluglotsen oder des Flughafenpersonals.