Aufenthaltsrecht in der EU trotz Antrags auf Sozialhilfeleistungen

Die Mutter eines Wanderarbeitnehmers aus der Union kann, wenn ihr durch diesen Unterhalt gewährt wird, Sozialhilfeleistungen beantragen. Ihr Aufenthaltsrecht darf dies nicht in Frage stellen, hat der EuGH entschieden.

Eine Rumänin ist die Mutter einer rumänischen und irischen Staatsangehörigen, die in Irland wohnt und dort arbeitet. Die Mutter zog 2017 ihrer Tochter nach Irland hinterher. Dort hält sie sich seither als Verwandte in gerader aufsteigender Linie einer Arbeitnehmerin mit Unionsbürgerschaft rechtmäßig auf. Dann verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand und sie beantragte in Irland Invaliditätsbeihilfe – ohne Erfolg: Im Fall der Beihilfegewährung würde sie nicht mehr von ihrer Tochter unterhalten. Sie nähme vielmehr die irischen Sozialhilfeleistungen unangemessen in Anspruch und verlöre somit ihr Aufenthaltsrecht.

Ein irisches Gericht möchte vom EuGH wissen, ob das Unionsrecht dieser Ablehnung entgegensteht. Der Gerichtshof bejaht dies.

Recht auf Gleichbehandlung verletzt

Ein Verwandter in gerader aufsteigender Linie, dem von einem Arbeitnehmer mit Unionsbürgerschaft Unterhalt gewährt wird, sei mittelbarer Nutznießer der diesem Arbeitnehmer zuerkannten Gleichbehandlung. Wenn man diesem Verwandten in gerader aufsteigender Linie eine Sozialhilfeleistung, die für den Wanderarbeitnehmer eine "soziale Vergünstigung" darstellt, versagte, wäre dieser Wanderarbeitnehmer in seinem Recht auf Gleichbehandlung verletzt.

Die Eigenschaft als Verwandter in aufsteigender Linie, dem "Unterhalt gewährt" wird, dürfe durch die Gewährung einer Sozialhilfeleistung im Aufnahmemitgliedstaat nicht berührt werden. Andernfalls könnte die Gewährung einer solchen Leistung dem Betroffenen die Eigenschaft eines Familienangehörigen, dem Unterhalt gewährt wird, nehmen und folglich die Streichung dieser Leistung oder sogar den Verlust seines Aufenthaltsrechts rechtfertigen. Eine solche Lösung würde es in der Praxis dem Familienangehörigen, dem Unterhalt gewährt wird, verbieten, diese Leistung zu beantragen.

Da der Wanderarbeitnehmer im Rahmen seiner unselbstständigen Erwerbstätigkeit Abgaben an den Aufnahmemitgliedstaat entrichtet, trage er zur Finanzierung der sozialpolitischen Maßnahmen dieses Mitgliedstaats bei, gibt der EuGH zu bedenken. Er müsse davon daher unter den gleichen Bedingungen profitieren können wie die inländischen Arbeitnehmer. Daher könne das Ziel, eine übermäßige finanzielle Belastung für den Aufnahmemitgliedstaat zu vermeiden, eine Ungleichbehandlung von Wanderarbeitnehmern und inländischen Arbeitnehmern nicht rechtfertigen.

EuGH, Urteil vom 21.12.2023 - C-488/21

Redaktion beck-aktuell, bw, 21. Dezember 2023.