Österreichische Gerichte hielten sich für unzuständig
Ein italienischer Staatsangehöriger, der seit etwas mehr als sechs Monaten in Österreich lebt, hat bei einem österreichischen Gericht einen Antrag auf Auflösung der Ehe mit seiner deutschen Ehegattin gestellt, mit der er in Irland gelebt hatte. In den ersten beiden Instanzen wurde sein Antrag wegen fehlender Zuständigkeit zurückgewiesen. Die sogenannte Brüssel-IIa-Verordnung über die Zuständigkeit in Ehesachen verlangt in einem solchen Fall nämlich, dass sich der Antragsteller seit mindestens einem Jahr unmittelbar vor der Antragstellung in dem betreffenden Mitgliedstaat aufgehalten hat. Der Antragsteller ist jedoch der Ansicht, dass die erforderliche Aufenthaltsdauer nur mindestens sechs Monate betragen dürfe, wie dies in der Verordnung für den Fall vorgesehen sei, dass der Betroffene die Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaats besitze. Es stelle eine verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar, wenn von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten ein längerer Mindestaufenthalt verlangt würde.
EuGH: Tatsächliche Beziehung zu Mitgliedstaat entscheidend
Der vom Antragsteller angerufene Oberste Gerichtshof Österreichs teilt diese Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit der sich aus der Verordnung ergebenden Ungleichbehandlung mit dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Er hat daher den Gerichtshof hierzu befragt. Der EuGH hat entschieden, dass das in Art. 18 AEUV verankerte Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dieser Ungleichbehandlung nicht entgegensteht. Er weist darauf hin, dass die Verordnung sicherstellen soll, dass eine tatsächliche Beziehung zu dem Mitgliedstaat besteht, dessen Gerichte die Zuständigkeit für die Entscheidung über einen Antrag auf Ehescheidung wahrnehmen. Unter diesem Blickwinkel befinde sich ein Antragsteller, der Angehöriger dieses Mitgliedstaats ist und wegen einer ehelichen Krise den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthaltsort des Ehepaars verlässt und beschließt, in sein Herkunftsland zurückzukehren, grundsätzlich nicht in einer Situation, die mit der eines Antragstellers vergleichbar wäre, der nicht die Angehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt und infolge einer Ehekrise dorthin umzieht.
Bei Staatsangehörigen zahlreiche Bindungen zu Heimatstaat
Denn ein Angehöriger des betreffenden Mitgliedstaats unterhalte zu diesem zwangsläufig institutionelle und rechtliche sowie in der Regel kulturelle, sprachliche, soziale, familiäre oder das Vermögen betreffende Bindungen. Solche Bindungen könnten folglich bereits zur Feststellung der tatsächlichen Beziehung beitragen, die zu dem Mitgliedstaat bestehen muss. Damit werde außerdem für den anderen Ehegatten eine gewisse Vorhersehbarkeit gewährleistet, da dieser damit rechnen könne, dass möglicherweise bei den Gerichten dieses Mitgliedstaats ein Antrag auf Ehescheidung gestellt wird. Der Gerichtshof hält es daher nicht für offensichtlich unangemessen, dass diese Bindungen vom Unionsgesetzgeber bei der Bestimmung der erforderlichen Dauer des tatsächlichen Aufenthalts des Antragstellers in dem betreffenden Mitgliedstaat berücksichtigt wurden.