EuGH: Gmail und Co. sind keine Telekommunikationsdienste

Die Bundesnetzagentur ist mit dem Versuch gescheitert, Webdienste wie Googles Gmail deutschen Telekom-Bestimmungen zu unterwerfen – und damit auch zu Überwachungs-Schnittstellen zu zwingen. Solche Angebote seien nach EU-Recht keine elektronischen Telekommunikationsdienste, urteilte am 13.06.2019 der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (Az.: C-193/18, BeckRS 2019, 11104). Demnach müssen Gmail und andere Webangebote keine neuen Verpflichtungen beim Datenschutz oder der öffentlichen Sicherheit eingehen – etwa Zugänge für den Datenzugriff von Ermittlungsbehörden einrichten.

OVG Münster befragte EuGH

Die Bundesnetzagentur wollte seit 2012 erreichen, dass Google Gmail bei ihr als Telekommunikationsdienst anmeldet. Der US-Konzern wehrte sich jedoch juristisch dagegen. Das Verwaltungsgericht Köln hatte Googles -Klage in erster Instanz noch abgewiesen. Im Berufungsverfahren rief das Oberverwaltungsgericht Münster den EuGH an. Dieser sollte klären, ob Email-Dienste, die über das offene Internet laufen, ohne den Kunden einen Internetzugang zu bieten, Telekommunikationsdienste nach EU-Recht sind. Google argumentierte stets, Webmail-Dienste wie Gmail gehörten nicht dazu, weil sie das Internet als bestehendes Netz nur nutzten, ohne es selbst zu betreiben. Zudem vermittele man den Nutzern keinen Zugang dazu und kontrolliere nicht die Datenübertragung.

EuGH bestätigt Googles Meinung

Die Luxemburger Richter unterstützten diese Haltung nun. Internetbasierte Email-Dienste wie Gmail würden war eine Übertragung von Signalen vornehmen. "Da dieser Dienst nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze besteht", lasse sich daraus jedoch nicht der Schluss ziehen, dass es sich um einen elektronischen Telekommunikationsdienst nach EU-Recht handele.

Herbe Niederlage für Bundesnetzagentur

Für die Bundesnetzagentur ist das EuGH-Urteil eine herbe Niederlage. Ihr Chef Jochen Homann hatte deutlich gemacht, dass es ihm nicht nur um Gmail, sondern um die grundsätzliche Regulierung von Webdiensten geht. Die Abgrenzung zu traditionellen Telekommunikationsdiensten verschwimme zunehmend, sagte Homann der "Financial Times" und nannte neben Gmail explizit den Chatdienst WhatsApp. Es sei nicht richtig, dass Anbieter traditioneller Telekom-Dienste Regulierungsvorgaben einhalten müssten, während das für Firmen, die vergleichbare Dienste über das Web bereitstellen, nicht gelte, argumentierte Homann.

WhatsApp für Sicherheitsbehörden nicht zugänglich

WhatsApp wird von vielen Nutzern als SMS-Alternative genutzt. Der zu Facebook gehörende Dienst ist verschlüsselt und nicht für die Sicherheitsbehörden zugänglich, da selbst WhatsApp den Inhalt nicht sieht. Auf herkömmliche SMS haben die Behörden mit richterlichem Beschluss dagegen Zugriff. Die Telekommunikations-Anbieter mussten dafür Schnittstellen in ihrer Infrastruktur einrichten.

Anwalt: Entscheidung auch auf Over-The-Top-Dienste übertragbar

Auf WhatsApp und Co dürfte das nach Einschätzung von Rechtsanwalt Michael Biendl von der Kanzlei CMS Deutschland künftig nicht zukommen. "Nach der heutigen Entscheidung ist davon auszugehen, dass auch so genannte Over-The-Top-Dienste wie WhatsApp, Telegram und Threema keine Telekommunikationsdienste darstellen", sagte er am 13.06.2019.

OVG muss noch entscheiden

Im konkreten Streit zwischen Google und der Bundesnetzagentur muss nun noch das OVG Münster auf Grundlage des EuGH-Urteils entscheiden. Das deutsche Telekommunikationsgesetz basiert auf der entsprechenden EU-Richtlinie.

EuGH, Urteil vom 13.06.2019 - C-193/18

Redaktion beck-aktuell, 13. Juni 2019 (dpa).