EuGH: Auch Drittstaatsangehörige mit kombinierter Arbeitserlaubnis können Leistungen der sozialen Sicherheit beanspruchen

Ein Drittstaatsangehöriger, der Inhaber einer kombinierten Arbeitserlaubnis in einem EU-Mitgliedstaat ist, hat im Allgemeinen Anspruch auf die für die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats vorgesehenen Leistungen der sozialen Sicherheit. Dies hat der Gerichtshof der europäischen Union mit Urteil vom 21.06.2017 klargestellt. Die italienische Regelung, die diesem Personenkreis die Gewährung einer Beihilfe für einkommensschwache Familien versagt, verstößt nach Auffassung des Gerichts gegen Unionsrecht (Az.: C-449/16).

Beantragte Beihilfe versagt

Kerly Del Rosario Martinez Silva, die Staatsangehörige eines Nicht-EU-Landes ist, lebt mit ihren drei minderjährigen Kindern in Italien. Sie ist im Besitz einer kombinierten Arbeitserlaubnis für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten. 2014 beantragte sie beim INPS (Nationales Institut für soziale Sicherheit) die Gewährung einer Beihilfe, die das italienische Gesetz zugunsten von Haushalten mit mindestens drei minderjährigen Kindern und einem Einkommen unterhalb einer bestimmten Grenze (im Jahr 2014: 25.384,91 Euro) vorsieht. Ihr Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass das italienische Gesetz bei Drittstaatsangehörigen diese Beihilfe nicht für Inhaber einer kombinierten Arbeitserlaubnis, sondern nur für politische Flüchtlinge, Personen, denen subsidiärer Schutz gewährt worden sei, oder für Inhaber einer langfristigen Aufenthaltsberechtigung vorsehe. Diese Voraussetzungen erfüllt Martinez Silva nicht.

Italienisches Berufungsgericht ruft EuGH an

Das Tribunale di Genova (Gericht Genua, Italien), das in erster Instanz von Martinez Silva angerufen wurde, wies ihre Klage ab. Die Corte d'appello di Genova (Berufungsgericht Genua, Italien), bei der die Berufung anhängig ist, hat Zweifel an der Vereinbarkeit der nationalen Vorschriften mit dem Unionsrecht und hat den Gerichtshof daher um Auslegung der Richtlinie über eine kombinierte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für Drittstaatsangehörige gebeten (RL 2011/98/EU).

EuGH: Recht auf Gleichbehandlung

Der EuGH hat entschieden, dass es sich bei der Beihilfe, die Gegenstand der Klage von Martinez Silva ist, um eine Leistung der sozialen Sicherheit handelt, die unter Familienleistungen nach der Verordnung der Union zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) Nr. 883/2004 ) fällt. Aus der RL 2011/98/EU ergebe sich, dass Drittstaatsangehörige, die in einem Mitgliedstaat zu Arbeitszwecken nach Unionsrecht oder einzelstaatlichem Recht zugelassen wurden, insbesondere ein Recht auf Gleichbehandlung haben. Das sei auch bei einem Drittstaatsangehörigen der Fall, der Inhaber einer kombinierten Arbeitserlaubnis ist, da diese Erlaubnis es ihm gestatte, sich rechtmäßig im Gebiet des Mitgliedstaats, der sie erteilt hat, zu Arbeitszwecken aufzuhalten.

Ausnahmeregelung greift nicht

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass das Recht auf Gleichbehandlung (Art. 12 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2011/98/EU) die allgemeine Regel bildet. Die Richtlinie beinhalte aber Ausnahmen von diesem Recht, die die Mitgliedstaaten vorsehen könnten. Die Vorschriften der italienischen Regelung falle jedoch nicht unter diese Ausnahmen. Daraus folge, dass die Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach ein Drittstaatsangehöriger, der Inhaber einer kombinierten Arbeitserlaubnis ist, keine Leistung der sozialen Sicherheit wie die von Del Rosario Martinez Silva beantragte Familienbeihilfe erhalten kann.

EuGH, Urteil vom 21.06.2017 - C-449/16

Redaktion beck-aktuell, 21. Juni 2017.

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