Iraker stellte in Österreich Asylfolgeantrag
Ein Iraker, dessen erster Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Österreich) rechtskräftig abgewiesen wurde, stellte einige Monate später einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Während er seinen ersten Antrag darauf gestützt hatte, dass er bei einer Rückkehr in den Irak um sein Leben bangen müsste, weil er sich geweigert habe, für schiitische Milizen zu kämpfen, und sich das Land immer noch im Krieg befinde, machte er nun geltend, dass der wahre Grund für seine Anträge in seiner Homosexualität liege, die in seinem Land und in seiner Religion verboten sei. Er erläuterte, dass er zum Zeitpunkt des ersten Antrags noch nicht gewusst habe, dass er in Österreich nichts zu befürchten habe, wenn er sich zu seiner Homosexualität bekenne.
Folgeantrag wurde als unzulässig zurückgewiesen
Das Bundesamt wies diesen Folgeantrag als unzulässig zurück, weil er darauf gerichtet sei, einen früheren abschlägigen Bescheid in Frage zu stellen, der rechtskräftig geworden sei. Nach österreichischem Recht könne ein Folgeantrag, der auf Elemente oder Erkenntnisse gestützt werde, die bereits vor Erlass des das frühere Verfahren rechtskräftig abschließenden Bescheids existiert hätten, nur zur Wiederaufnahme dieses Verfahrens führen, und dies auch nur dann, wenn der Antragsteller diese Elemente oder Erkenntnisse im früheren Verfahren ohne sein Verschulden nicht geltend gemacht habe. Nur Elemente oder Erkenntnisse, die nach Erlass des rechtskräftigen ersten Bescheids neu entstanden seien, könnten die Eröffnung eines neuen Verfahrens rechtfertigen. Der Antragsteller klagte, das der österreichische Verwaltungsgerichtshof bat den EuGH um Auslegung der Richtlinie 2013/32/EU über die Zuerkennung des internationalen Schutzes.
EuGH: Prüfung im Wiederaufnahmeverfahren möglich
Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die Prüfung eines auf Elemente oder Tatsachen, die bereits vor dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Verfahrens existierten, gestützten Folgeantrags auf internationalen Schutz in der Sache grundsätzlich im Rahmen der Wiederaufnahme des Verfahrens über den ersten Antrag vorgenommen werden kann, sofern die in der Richtlinie vorgesehenen Grundsätze und Garantien eingehalten werden. Eine solche Wiederaufnahme könne davon abhängig gemacht werden, dass diese neuen Elemente oder Erkenntnisse erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen, dass der Antragsteller als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, und der Antragsteller ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage war, diese neuen Elemente oder Erkenntnisse im früheren Verfahren vorzubringen. Dagegen dürfe eine Wiederaufnahme nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Folgeantrag binnen einer bestimmten Frist gestellt worden sei.
Neues Verwaltungsverfahren könnte nicht wegen Verschulden abgelehnt werden
Für den Fall, dass die auf die Wiederaufnahme des Verfahrens anwendbaren österreichischen Rechtsvorschriften nicht gewährleisteten, dass die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Folgeantrags erfüllt oder nicht mit den in der Richtlinie vorgesehenen Grundsätzen und Garantien vereinbar seien, müsse der Folgeantrag vorliegend im Rahmen eines neuen Verwaltungsverfahrens geprüft werden. Da Österreich für solche neuen Verfahren die fakultative Richtlinienbestimmung, nach der die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass der Folgeantrag nur geprüft werde, wenn der Antragsteller ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage gewesen sei, die neuen Elemente oder Erkenntnisse im früheren Verfahren vorzubringen, obwohl sie bereits existierten, nicht umgesetzt habe, könne die Eröffnung eines neuen Verfahrens nicht mit der Begründung abgelehnt werden, den Antragsteller treffe ein Verschulden.