Dänische Arbeitnehmerorganisation sieht Altersgrenze für Kandidatur für Vorsitz vor
Die 1948 geborene A wurde 1978 als hauptamtliche Mitarbeiterin von einer Ortsgruppe der HK eingestellt, einer dänischen Arbeitnehmerorganisation, der der Verband HK/Danmark und der Sektor HK/Privat angehören. 1993 wurde sie zur Vorsitzenden von HK/Privat gewählt. In diesem politischen Amt hatte sie zwar eine Vertrauensstellung inne, es wies jedoch auch bestimmte, für Arbeitnehmer typische Merkmale auf. So war A in Vollzeit beschäftigt, erhielt ein monatliches Gehalt, und das Urlaubsgesetz war auf sie anwendbar. Sie wurde alle vier Jahre wiedergewählt und hatte das Amt der Vorsitzenden dieses Sektors bis zum 08.11.2011 inne. Zu diesem Zeitpunkt war sie 63 Jahre alt und hatte die in der Satzung des HK Privat vorgesehene Altersgrenze überschritten, sodass sie sich nicht erneut zur Wahl, die in diesem Jahr stattfinden sollte, stellen konnte.
Betroffene 63-Jährige klagt – Dänisches Gericht ruft EuGH an
Auf die von A eingelegte Beschwerde entschied der dänische Beschwerdeausschuss für Gleichbehandlung, dass es gegen das dänische Antidiskriminierungsgesetz verstößt, wenn A wegen ihres Alters nicht erneut für den Vorsitz des HK/Privat kandidieren dürfe, und gab dem HK auf, A für den erlittenen Schaden eine Entschädigung zu zahlen. Da diese Entscheidung nicht befolgt wurde, erhob dieser Ausschuss, handelnd für A, Klage gegen HK. Das Landgericht für Ostdänemark ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von der Frage abhänge, ob A als politisch gewählte Vorsitzende des HK/Privat in den Geltungsbereich der Antidiskriminierungsrichtlinie falle. Wenn dies bejaht werde, sei sie gemäß der Satzung dieses Sektors unstreitig Opfer einer gegen diese Richtlinie verstoßenden unmittelbaren Diskriminierung wegen des Alters.
EuGH: Geltungsbereich der Richtlinie nicht auf Arbeitnehmer im Sinne von Art. 45 AEUV beschränkt
Der EuGH, der von dem dänischen Gericht um Vorabentscheidung ersucht worden ist, hat entschieden, dass die streitige Altersgrenze in den Geltungsbereich der Antidiskriminierungsrichtlinie fällt. Die "Bedingungen für den Zugang" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie zur Stelle des Vorsitzenden einer Arbeitnehmerorganisation fielen in den Geltungsbereich dieser Richtlinie. Was die Wendung "Bedingungen … für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit" im Sinne dieser Bestimmung betrifft, lasse sich dem Umstand, dass die Begriffe "unselbstständige Erwerbstätigkeit" und "selbstständige Erwerbstätigkeit" nebeneinander verwendet werden, entnehmen, dass die Bedingungen für den Zugang zu jeglicher beruflichen Tätigkeit unabhängig von deren Art und Merkmalen erfasst werden. Diese Begriffe seien nämlich weit zu verstehen, wie ein Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen dieser Bestimmung zeigt. So gehe aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Antidiskriminierungsrichtlinie hervor, dass deren Geltungsbereich nicht auf die Bedingungen für den Zugang zu Stellen beschränkt ist, die von "Arbeitnehmern" im Sinne von Art. 45 AEUV besetzt sind.
Arbeitnehmereigenschaft für Anwendbarkeit nicht entscheidend
Zudem bestätigen die Ziele dieser Richtlinie diese am Wortlaut orientierte Auslegung. Die Antidiskriminierungsrichtlinie, deren Rechtsgrundlage der aktuelle Art. 19 Abs. 1 AEUV ist, ziele nämlich nicht auf den Schutz des Arbeitnehmers als der schwächeren Partei eines Arbeitsverhältnisses ab. Ihr Zweck sei – aus im sozialen und öffentlichen Interesse liegenden Gründen – die Beseitigung aller auf Diskriminierungsgründe gestützter Hindernisse für den Zugang zu Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhalts und die Fähigkeit, durch Arbeit, egal in welcher Rechtsform, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Somit komme es für die Frage, ob die Bedingungen für den Zugang zur Stelle des Vorsitzenden des Sektors HK/Privat unter die Richtlinie fallen, nicht darauf an, ob ein solcher Vorsitzender als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 45 AEUV und der diese Vorschrift auslegenden Rechtsprechung einzustufen ist.
Einstellung durch Wahl schließt Anwendung der Richtlinie nicht aus
Die politische Natur einer solchen Stelle sei unerheblich für die Frage, ob diese Bedingungen in den Geltungsbereich der Antidiskriminierungsrichtlinie fallen, da sie sowohl für den privaten als auch den öffentlichen Bereich unabhängig vom Tätigkeitsfeld gilt und die Ausnahmen ausdrücklich festgelegt sind. Ebenso wenig sei es für die Anwendung der Richtlinie erheblich, wie die Einstellung auf eine Stelle, etwa durch eine Wahl, erfolgt, so der EuGH. Diese Erwägungen würden auch nicht durch das Vorbringen zum Recht von Arbeitnehmerorganisationen, ihre Vertreter frei zu wählen, das ein Aspekt der in Art. 12 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Vereinigungsfreiheit ist, in Frage gestellt. Dieses Recht müsse nämlich mit dem in der Antidiskriminierungsrichtlinie geregelten Verbot von Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf als Konkretisierung des in Art. 21 GrCh verankerten allgemeinen Grundsatzes der Nichtdiskriminierung in Einklang gebracht werden. Da die Vereinigungsfreiheit kein absolutes Recht ist, dürfe ihre Ausübung gemäß Art. 52 Abs. 1 GrCh eingeschränkt werden, sofern die Einschränkungen gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt dieses Rechts achten und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.
Tätigkeit des Vorsitzenden als "Mitwirkung in einer Arbeitnehmerorganisation"
Weiter entscheidet der Gerichtshof in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Antidiskriminierungsrichtlinie, wonach diese unter anderem auf die Mitwirkung in einer Arbeitnehmerorganisation anwendbar ist, dass die Ausübung der Tätigkeit des Vorsitzenden einer solchen Organisation unter diese Bestimmung fällt. Es stelle nämlich eine Art von "Mitwirkung" – im gewöhnlichen Sinn dieses Begriffs – in einer solchen Organisation dar, wenn jemand bei der Wahl zum Vorsitzenden einer Arbeitnehmerorganisation kandidiert oder, nachdem er gewählt wurde, die Aufgaben des Vorsitzenden wahrnimmt. Diese Auslegung entspreche dem Ziel der Richtlinie, das darin bestehe, einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen unter anderem wegen des Alters in Beschäftigung und Beruf zu schaffen, sodass die Begriffe, die in Art. 3 der Richtlinie deren Geltungsbereich präzisieren, nicht eng ausgelegt werden dürften.