EuGH: Airlines können Flughafenentgelte vor den Verwaltungsgerichten anfechten

Der Europäische Gerichtshof hat Fluggesellschaften in Deutschland den Weg vor die Verwaltungsgerichte geöffnet, um juristisch gegen Start- und Landeentgelte vorzugehen. Nach Auffassung des EuGH gewährleistet die Billigkeitskontrolle der Zivilgerichte nach § 315 Abs. 3 BGB keinen ausreichenden Rechtsschutz und verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung von Flughafennutzern. Die im Ausgangsfall klagende Lufthansa kann nun unmittelbar die Genehmigung der Entgeltordnung für den Flughafen Tegel vor den Verwaltungsgerichten anfechten (Urteil vom 21.11.2019, Az.: C-379/18).

Lufthansa focht Genehmigung neuer Flughafenentgeltregelung an

Die Deutsche Lufthansa focht als Flughafennutzerin die Genehmigung einer neuen Entgeltregelung für den Flughafen Berlin-Tegel an. Das Land Berlin hatte die neue Entgeltregelung mit Wirkung ab dem 01.01.2015 genehmigt.

OVG Berlin-Brandenburg verneinte Klagebefugnis für Anfechtungsklage

Das OVG Berlin-Brandenburg wies die Klage als unzulässig ab, da der Deutschen Lufthansa die Klagebefugnis für eine Anfechtungsklage fehle. Denn die öffentlich-rechtliche Wirkung der Genehmigung beschränke sich auf das Verhältnis zwischen der unabhängigen Aufsichtsbehörde und dem Flughafenleitungsorgan als Genehmigungsempfänger. Ferner sei § 19b LuftVG nicht drittschützend. Vielmehr sei vor den Zivilgerichten gegen die Flughafenentgelte vorzugehen. Die Lufthansa legte Revision ein.

BVerwG ruft EuGH an

Laut BVerwG wäre die Klagebefugnis der Lufthansa zu bejahen, wenn die Genehmigung einer Flughafenentgeltregelung privatrechtsgestaltende Wirkung hätte. Es rief deshalb den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren an und legte diesem mehrere Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/12 vor.

EuGH: Genehmigte Flughafenentgeltregelung für alle Nutzer verbindlich

Der EuGH hat entschieden, dass eine Flughafenentgeltregelung für alle Nutzer verbindlich ist, ohne dass mit einem einzelnen Flughafennutzer andere als die zuvor gebilligten Entgelte festgesetzt werden können, wenn eine nationale Bestimmung wie § 19b Abs. 1 und 3 LuftVG ein obligatorisches Verfahren vorsieht, nach dem die Flughafenentgeltregelung von einer unabhängigen Aufsichtsbehörde gebilligt wird.

Bloße mittelbare Anfechtbarkeit vor Zivilgerichten unzureichend

Ferner hat der EuGH entschieden, dass die bloße Möglichkeit, die Entgeltregelung mittelbar vor den Zivilgerichten statt unmittelbar vor den Verwaltungsgerichten anfechten zu können, gegen Richtlinie 2009/12 verstößt. Die Billigkeitskontrolle der Entgelte gemäß § 315 Abs. 3 BGB genüge nicht dem Erfordernis eines wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes. Sie verstoße zudem gegen das Verbot der Diskriminierung von Flughafennutzern.

Flughafenverband befürchtet Verzögerungen beim Genehmigungsprozess

Der Flughafenverband ADV befürchtet nach der Entscheidung ein juristisches Sperrfeuer gegen aus seiner Sicht notwendige Erhöhungen. Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel verlangte von den Ländern, die Flughafenentgelte sofort nach Genehmigung zum Vollzug zu stellen. Die Airlines könnten sonst mit Klagen den gesetzlich verankerten Genehmigungsprozess verlangsamen oder gänzlich aufhalten und so den Verhandlungsdruck auf die Flughäfen weiter verschärfen. Bereits heute verfügten die großen Fluggesellschaften über eine hohe Marktmacht. Im Genehmigungsverfahren werden die Fluggesellschaften bereits angehört.

Lufthansa: Angemessenheit der Entgelte jetzt gerichtlich überprüfbar

Eine Sprecherin der Lufthansa begrüßte die Entscheidung des EuGH: "Damit erhalten Fluggesellschaften in Deutschland die Möglichkeit, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob die von Flughäfen erhobenen Entgelte angemessen sind, den tatsächlichen Kosten entsprechen und ein effizientes Wirtschaften der Flughäfen erkennen lassen. Davon profitieren letztlich auch die Passagiere."

EuGH, Urteil vom 21.11.2019 - C-379/18

Redaktion beck-aktuell, 22. November 2019 (dpa).