Das US-amerikanische Krebsforschungs-Unternehmen Grail LLC sollte von der ebenfalls in den USA ansässigen Illumina Inc., die auf genetische Analysen spezialisiert ist, übernommen werden. Weil Grail keine Umsätze in der Europäischen Union oder anderen Orten außerhalb der USA erwirtschaftete, wurde die Fusion nicht bei der Europäischen Kommission angemeldet. Auch in den Mitgliedstaaten und den Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) wurde er nicht angemeldet, da er die maßgeblichen nationalen Schwellenwerte nicht erreichte.
Bei der Kommission lag allerdings eine Beschwerde gegen den Zusammenschluss vor, zudem befürchtete sie, dass er den Handel und den Wettbewerb in der EU erheblich beeinträchtigen könnte. Sie forderte daher mehrere nationale Wettbewerbsbehörden auf, einen Antrag nach der Fusionskontrollordnung zu stellen, die Prüfung des Zusammenschlusses an die Kommission zu verweisen.
Tatsächlich gingen mehrere Anträge ein und die Kommission startete die Prüfung. Illumina Inc. war nicht damit einverstanden und klagte gegen die Verweisungsbeschlüsse. Während das Unternehmen vor dem EuG keinen Erfolg hatte, erklärte der EuGH die Beschlüsse am Dienstag für nichtig (Urteil vom 03.09.2024 – C-611/22 P, C-625/22 P).
Nicht zuständige nationale Behörden können nicht verweisen
Der EuGH stelle klar, dass die Kommission die Anträge auf Überprüfung der Firmen-Fusion nicht hätte annehmen dürfen, wenn schon die nationalen Behörden nicht zuständig waren. Das EuG sei zu dem fehlerhaften Ergebnis gelangt, dass "nach einer wörtlichen, historischen, systematischen und teleologischen Auslegung der Fusionskontrollverordnung die nationalen Wettbewerbsbehörden bei der Kommission die Prüfung eines Zusammenschlusses beantragen könnten, der nicht nur keine europaweite Bedeutung hat, sondern darüber hinaus ihrer Kontrollzuständigkeit entzogen ist, weil er nicht die anwendbaren nationalen Schwellenwerte erreicht."
Der EuGH stellte klar, dass das nicht richtig ist. Wenn die Voraussetzungen für eine Prüfung durch die nationalen Behörden wie hier nicht gegeben seien, dann dürften diese auch eine Prüfung nicht an die Kommission "verweisen".
Auch habe das Gericht fehlerhaft angenommen, die Fusionskontrollverordnung sehe ein "Korrektiv" vor, das auf eine wirksame Kontrolle sämtlicher Zusammenschlüsse mit erheblichen Auswirkungen auf die Wettbewerbsstruktur in der Union abziele. Diese Auslegung hält der EuGH für falsch. Ob ein Zusammenschluss anzumelden ist oder nicht, sei an Schwellenwerten festzumachen. Seien diese nicht erreicht, so erfolge keine Prüfung. Nur so bestehe Rechtssicherheit. Es müsse leicht feststellbar und damit vorhersehbar sein, ob eine Fusion einer vorherigen Prüfung zu unterziehen ist und, wenn ja, durch welche Behörde und unter welchen Verfahrensanforderungen.