Erfolg für Umweltschützer im Streit um Finanzierung des "Curtis-Projekts"

Die Umweltschutzorganisation ClientEarth hat im Streit um die Finanzierung des sogenannten Curtis-Projekts, das den Bau eines Biomassekraftwerks zur Stromerzeugung in der spanischen Gemeinde Curtis betrifft, einen Erfolg erzielt. Das Gericht der Europäischen Union entschied, dass die Europäische Investitionsbank (EIB) den Antrag der Organisation auf Überprüfung des Beschlusses, mit dem die Bank einen Finanzierungsvorschlag für das Projekt genehmigt hatte, nicht als unzulässig hätte zurückweisen dürfen.

Ausschreibung für Projekte im Bereich erneuerbare Energien gewonnen

Das sogenannte Curtis-Projekt hat eine von Spanien im Jahr 2016 organisierte Ausschreibung für Projekte im Bereich erneuerbare Energien gewonnen. Der Projektträger des Curtis-Projekts hatte sich mit der EIB in Verbindung gesetzt, um Gespräche über die Möglichkeit einer Förderung durch die EIB aufzunehmen. Mit dem streitigen Beschluss vom 12.04.2018 genehmigte der Verwaltungsrat der EIB den Finanzierungsvorschlag für einen Höchstbetrag von 60 Millionen Euro. Am 09.08.2018 stellte ClientEarth, eine Nichtregierungsorganisation, die sich für den Umweltschutz einsetzt, bei der EIB einen Antrag auf interne Überprüfung dieses Beschlusses gemäß der Aarhus-Verordnung (VO (EG) Nr. 1367/2006) und dem Beschluss 2008/502.

Klage beim Gericht der Europäischen Union erhoben

Mit Schreiben vom 30.10.2018 (im Folgenden: der angefochtene Rechtsakt) teilte die EIB ClientEarth mit, dass der Antrag auf interne Überprüfung des streitigen Beschlusses abgelehnt werde. Der Antrag sei unzulässig, weil er sich nicht auf einen Rechtsakt beziehe, der Gegenstand einer internen Überprüfung sein könne, dass heißt einen "Verwaltungsakt" im Sinne der Aarhus-Verordnung. ClientEarth erhob gegen die Entscheidung der EIB Klage beim EuG.

Zwei Klagegründe geltend gemacht

Die Organisation stützte ihre Klage auf zwei Klagegründe. Mit ihrem ersten Klagegrund machte sie geltend, dass die EIB mit dem Erlass des angefochtenen Rechtsakts bestimmte Voraussetzungen für die Einstufung einer Maßnahme als "Verwaltungsakt" im Sinne der Aarhus-Verordnung im Hinblick auf den streitigen Beschluss falsch angewandt habe. Der zweite Klagegrund betrifft einen Verstoß gegen die Begründungspflicht.

Zielrichtungen der geltend gemachten Nichtigkeitsgründe unterschiedlich

Das EuG stellt zunächst fest, dass von den beiden geltend gemachten Nichtigkeitsgründen der zweite die Verletzung einer wesentlichen Verfahrensvorschrift für den angefochtenen Rechtsakt betrifft, nämlich die Begründungspflicht. Der erste, mit dem Beurteilungsfehler bei der Anwendung der Aarhus-Verordnung in Bezug auf den angefochtenen Rechtsakt geltend gemacht werden, betreffe dagegen dessen Rechtmäßigkeit.

Begründungspflicht nicht verletzt

Das EuG stellte fest, dass die im angefochtenen Rechtsakt dargelegte Begründung ausgereicht habe, um die Stichhaltigkeit dieser Gründe im Rahmen des ersten Klagegrundes anfechten zu können. Folglich wies das EuG den zweiten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen die Begründungspflicht geltend gemacht wird, als unbegründet zurück.

Erhaltung der Umwelt als weiteres Ziel

Das Gericht befasste sich sodann mit dem ersten Klagegrund, mit dem Beurteilungsfehler bei der Anwendung der Aarhus-Verordnung gerügt werden. Es wies unter anderem darauf hin, dass der Unionsrichter bei der Auslegung der Richtlinienbestimmungen, mit denen die Anforderungen des Übereinkommens von Aarhus in Bezug auf die Mitgliedstaaten umgesetzt werden, festgestellt hat, dass das vom Unionsgesetzgeber verfolgte Ziel darin besteht, der betroffenen Öffentlichkeit "einen breiten Zugang zu Gerichten" zu gewähren. Das Ziel im weiteren Sinne sei Teil des Unionsgesetzgeber-Bestrebens, die Umwelt zu erhalten, zu schützen und ihre Qualität zu verbessern und die Öffentlichkeit zu diesem Zweck eine aktive Rolle spielen zu lassen.

Begriff der Maßnahme "des Umweltrechts" zur Regelung eines Einzelfalls weit auszulegen

Das Gericht sei daher zu der Auffassung gelangt, dass die Vertragsparteien des Aarhus-Übereinkommens zwar über einen gewissen Ermessensspielraum bei der Anwendung dieses Übereinkommens verfügen, dass aber die praktische Wirksamkeit und die Ziele dieses Übereinkommens im Zusammenhang mit den Durchführungspflichten der Mitgliedstaaten in hohem Maße geschützt werden sollten. Vor diesem Hintergrund kommt das EuG zu dem Ergebnis, dass der in der Aarhus-Verordnung enthaltene Begriff der Maßnahme "des Umweltrechts" zur Regelung eines Einzelfalls weit auszulegen ist, sodass er nicht nur auf Maßnahmen zur Regelung eines Einzelfalls beschränkt ist, die auf der Grundlage einer Vorschrift des abgeleiteten Rechts erlassen werden, die zur Verfolgung der in Art. 191 Abs.1 AEUV genannten umweltpolitischen Ziele der Union beiträgt, sondern alle Maßnahmen zur Regelung eines Einzelfalls, die Anforderungen des abgeleiteten Unionsrechts unterliegen und unabhängig von ihrer Rechtsgrundlage unmittelbar auf die Verwirklichung der Ziele der Umweltpolitik der Union ausgerichtet sind.

Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls?

Im Hinblick hierauf untersuchte das Gericht, ob der streitige Beschluss als eine solche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls angesehen werden könne. Es gelangte zu der Auffassung, dass der streitige Beschluss, soweit darin festgestellt wird, dass das Curtis-Projekt die von der EIB aufgestellten Umweltkriterien erfülle, um eine Förderung von ihr zu erhalten, tatsächlich eine Maßnahme "des Umweltrechts" zur Regelung eines Einzelfalls im Sinne der Aarhus-Verordnung ist. Das Gericht erinnerte daran, dass das in der Aarhus-Verordnung vorgesehene Verwaltungsverfahren der internen Überprüfung den Weg zu einem gerichtlichen Rechtsbehelf vor dem Gerichtshof der Europäischen Union eröffnet, der gemäß dieser Verordnung "nach den einschlägigen Bestimmungen des [AEU-]Vertrags" und damit grundsätzlich unter Einhaltung der in Art. 263 AEUV festgelegten Voraussetzungen eingelegt werden muss.

Streitiger Beschluss hatte endgültige Rechtswirkungen

In Anbetracht des Zusammenhangs zwischen dem Begriff eines Rechtsakts im Sinne der Aarhus-Verordnung, der "rechtsverbindlich [ist] und Außenwirkung [hat]", und dem Begriff der Handlungen mit Rechtswirkung gegenüber Dritten nach Art. 263 AEUV sei es aus Gründen der allgemeinen Kohärenz sinnvoll, den erstgenannten Begriff im Einklang mit dem letzteren auszulegen. Daraus folge, dass der streitige Beschluss, auch wenn er, wie die EIB geltend macht und in ihrem Schreiben vom 13.04.2018 an den Projektträger des Curtis-Projekts erwähnt, nicht als rechtliche Verpflichtung zur Gewährung des Darlehens an die Zweckgesellschaft galt, da noch weitere technische, wirtschaftliche und finanzielle Aspekte des Projekts zu prüfen waren, gleichwohl bestimmte endgültige Rechtswirkungen gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber dem Projektträger, entfaltete, indem darin festgestellt wurde, dass das Projekt im Hinblick auf seine ökologischen und sozialen Aspekte für eine Finanzierung durch die EIB in Betracht komme, und es dem Projektträger damit ermöglicht wurde, die folgenden Schritte zu unternehmen, die für die Formalisierung des ihm zu gewährenden Darlehens erforderlich waren.

Beschluss zur Darlehensgewährung nur noch bloße Ausführungsentscheidung

Im Hinblick auf diese ökologischen und sozialen Aspekte konnte nach Ansicht des EuG die spätere Entscheidung des Direktoriums, nach der Prüfung des Curtis-Projekts hinsichtlich der übrigen noch zu prüfenden Aspekte das Darlehen zu gewähren, allenfalls als eine bloße Ausführungsentscheidung angesehen werden. Das durch die Aarhus-Verordnung eingeführte Verfahren zur internen Überprüfung solle sich aber gerade auf die Umweltaspekte beziehen, und der Antrag von ClientEarth auf interne Überprüfung habe insbesondere die Beurteilung der Nachhaltigkeit des Curtis-Projekts und seines Beitrags zur Erreichung der umweltpolitischen Ziele der Union durch die EIB in Frage gestellt. Der Antrag habe sich also zumindest teilweise auf endgültige Rechtswirkungen des streitigen Beschlusses gegenüber Dritten bezogen.

EuG, Urteil vom 27.01.2021 - T-9/19

Redaktion beck-aktuell, 27. Januar 2021.