Hintergrund: Ermittlungen wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder
Im März 2014 nahm der Rat der Europäischen Union den Namen Klyuyevs für einen Zeitraum von einem Jahr in die Liste der Personen auf, gegen die restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in der Ukraine beschlossen worden waren, die insbesondere im Einfrieren von Geldern bestanden. Klyuyev soll "in der Ukraine Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung zur Untersuchung von Straftaten im Zusammenhang mit der Veruntreuung öffentlicher Gelder der Ukraine und des illegalen Transfers dieser Gelder in das Ausland" gewesen sein.
EuG erklärte Aufnahme für Zeitraum März 2014 bis März 2015 für nichtig
Im März 2015 wurde die Aufnahme des Namens von Klyuyev in die Liste bis zum März 2016 im Wesentlichen aus denselben Gründen wie die verlängert, die seine ursprüngliche Aufnahme gerechtfertigt hatten. Mit Urteil vom 15.09.2015 hat das Gericht die Aufnahme des Namens von Klyuyev in die Liste für den Zeitraum von März 2014 bis März 2015 für nichtig erklärt und seine Aufnahme für den Zeitraum von März 2015 bis März 2016 bestätigt (BeckRS 2016, 82333).
Maßnahme auch für Zeitraum von März 2017 bis März 2018 nichtig
Im März 2016 und 2017 verlängerte der Rat jeweils für ein Jahr die Anwendung restriktiver Maßnahmen gegen Klyuyev aus denselben Gründen wie denen, auf denen seine Aufnahme in die Liste im März 2015 beruhte. Mit Urteil vom 11.07.2018 hat das Gericht die Aufnahme des Namens von Klyuyev in die Liste im Hinblick auf den Zeitraum von März 2017 bis März 2018 für nichtig erklärt und seine Aufnahme für den Zeitraum von März 2016 bis März 2017 bestätigt (BeckRS 2018, 14810). Die Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2017 war darauf gestützt, dass es der Rat unterlassen hatte, die bestehenden Zweifel hinsichtlich der Zuverlässigkeit der von den ukrainischen Behörden gelieferten Informationen im Hinblick auf das gegen Klyuyev geführte Verfahren auszuräumen.
Restriktive Maßnahmen bis März 2019 verlängert
In der Zwischenzeit – im März 2018 – hat der Rat die Anwendung der restriktiven Maßnahmen gegen Klyuyev bis März 2019 verlängert, und zwar aus denselben Gründen wie denen, auf denen seine Aufnahme in die Liste im März 2015, 2016 und 2017 beruhte.
Klyuyev klagt und begehrt zugleich Eilrechtsschutz
Klyuyev erhob gegen die Rechtsakte, mit denen der Rat im März 2018 die Anwendung restriktiver Maßnahmen gegen ihn für einen weiteren Zeitraum von einem Jahr verlängert hat, Klage vor dem Gericht. Er macht insbesondere geltend, dass es der Rat erneut unterlassen habe, die bestehenden Zweifel hinsichtlich der Zuverlässigkeit der von den ukrainischen Behörden gelieferten Informationen hinsichtlich der Erstellung der Liste auszuräumen. Er beantragte ferner beim Gericht, den Vollzug dieser Rechtsakte ihm gegenüber bis zur endgültigen Entscheidung über seine Klage auszusetzen.
Eilrechtsschutz an zwei Voraussetzungen gebunden
Mit Beschluss über den Antrag auf Aussetzung des Vollzugs weist der Präsident des Gerichts darauf hin, dass einem solchen Antrag stattgegeben werden kann, wenn zum einen feststeht, dass die Aussetzung des Vollzugs auf den ersten Blick gerechtfertigt ist und zum anderen, dass diese Maßnahme dringlich ist, sodass ihr Erlass notwendig ist, um einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden für die Interessen des Antragstellers zu verhindern.
Klage entbehrt nicht ernsthafter Grundlage
Was die auf den ersten Blick vorliegende Rechtfertigung des Antrags auf Aussetzung betrifft, hebt der Präsident hervor, dass die Gründe, auf denen die Anwendung restriktiver Maßnahmen gegen Klyuyev beruhen, seit seiner ersten Aufnahme in die Liste im März 2014 im Wesentlichen unverändert geblieben sind. In diesem Zusammenhang weist er auch darauf hin, dass sich der Rat in den streitigen Rechtsakten ebenso wie beim Erlass der Rechtsakte vom März 2017, die das Gericht in seinem Urteil vom 11.07.2018 beanstandet hat, hauptsächlich auf Informationen gestützt hat, die von der Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine stammen, und die ihm insbesondere von Klyuyev zur Verfügung gestellten entlastenden Gesichtspunkte anscheinend nicht berücksichtigt hat. Zudem stellt der Präsident fest, dass der Rat weder den Umstand, dass das gegen Klyuyev in der Ukraine geführte Strafverfahren ausgesetzt wurde, noch die Gründe, die zu dieser Aussetzung geführt haben, berücksichtigt hat, und dies trotz der Schlussfolgerung des Gerichts in seinem Urteil vom 11.07.2018, wonach eine solche Aussetzung nicht ohne Bedeutung für die Entscheidung ist, eine restriktive Maßnahme des Rates aufrechtzuerhalten. Unter diesen Umständen kommt der Präsident zu dem Schluss, dass sich die Umstände, unter denen die angefochtenen Rechtsakte erlassen worden sind, nicht wesentlich von denen zu unterscheiden scheinen, die sich auf den Erlass der Rechtsakte vom März 2017 ausgewirkt haben, sodass die Klage von Klyuyev angesichts der Nichtigerklärung der letztgenannten Rechtsakte durch das Gericht auf den ersten Blick nicht ohne ernsthafte Grundlage erscheint.
Effektiver Rechtsschutz wegen wiederholter Verlängerungen nach Nichtigkeitsurteilen verletzt?
Was die Dringlichkeit des Antrags auf Aussetzung angeht, prüft der Präsident insbesondere das Vorbringen Klyuyevs, dass sein Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verletzt sei, was sich aus den wiederholten Verlängerungen der Aufnahme seines Namens in die Liste ergebe, obwohl Urteile vorlägen, in denen das Gericht auf die Rechtswidrigkeit bestimmter Rechtsakte zur Verhängung restriktiver Maßnahmen gegen ihn geschlossen habe. In diesem Zusammenhang stellt der Präsident fest, dass eine Anpassung des Kriteriums der Dringlichkeit zwar in dem Fall möglich ist, dass systembedingte Gründe einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gefährden können. Die Besonderheiten der Rechtsstreitigkeiten im Bereich restriktiver Maßnahmen dürften das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz nicht unwirksam machen.
Nichtigkeitsurteil muss in Entscheidung über Aufrechterhaltung restriktiver Maßnahmen einfließen
Im vorliegenden Fall lägen jedoch keine systembedingten Gründe vor, die den Urteilen des Gerichts, mit denen restriktive Maßnahmen für nichtig erklärt worden sind, die Wirksamkeit nehmen. Der Rat habe nämlich die Pflicht, die Auswirkungen eines Nichtigkeitsurteils auf die Entscheidung über die Aufrechterhaltung von restriktiven Maßnahmen zu prüfen und müsse insbesondere sorgfältig und im Licht des Urteils des Gerichts, mit dem die früher erlassenen restriktiven Maßnahmen für nichtig erklärt worden sind, überprüfen, ob die Gründe, die in der Zwischenzeit dazu geführt haben, die restriktiven Maßnahmen aufrechtzuerhalten, weiterhin gültig sind. Ist dies nicht der Fall, habe der Rat weitere Prüfungen vorzunehmen und daraus Konsequenzen, nämlich die Nichtigerklärung oder die Aufrechterhaltung der restriktiven Maßnahmen, zu ziehen.
EuG erachtet Prüfung des Rates für ausreichend
Insoweit weist der Präsident darauf hin, dass der Rat im vorliegenden Fall, auch wenn er keine ausdrückliche Entscheidung dazu getroffen hat, dennoch die Relevanz der Gründe, die zur Nichtigerklärung der Rechtsakte vom März 2017 geführt haben, für die Aufrechterhaltung der Rechtsakte vom März 2018 geprüft hat und somit die Notwendigkeit, die angefochtenen Rechtsakte im Hinblick auf das rechtskräftige Urteil vom 11.07.2018 zu überprüfen, anerkannt hat. Unter diesen Umständen kommt der Präsident zu dem Schluss, dass Klyuyev die Dringlichkeit der Aussetzung des Vollzugs der Rechtsakte vom März 2018 nicht nachgewiesen hat, und weist daher den Antrag auf Aussetzung zurück.