Über Opal-Pipeline wird Erdgas nach Westeuropa befördert
Die OPAL-Pipeline bildet im Osten die Fortsetzung auf dem Festland der Gaspipeline Nord Stream, über die Erdgas von Russland über die Ostsee nach Westeuropa befördert wird. Sie wurde am 13.07.2011 in Betrieb genommen und führt von der Ortschaft Lubmin nahe Greifswald in Deutschland zur Ortschaft Brandov in der Tschechischen Republik. Ihr Betrieb unterliegt der Aufsicht durch die deutsche Bundesnetzagentur.
Bestimmungen der Erdgasbinnenmarktrichtlinie gelten derzeit nicht für Kapazitäten der OPAL-Pipeline
Gemäß einer Entscheidung der Kommission aus dem Jahr 2009 und einem Beschluss der deutschen Bundesnetzagentur aus demselben Jahr sind die Kapazitäten der OPAL-Pipeline für einen Zeitraum von 22 Jahren von der Anwendung der Bestimmungen der Erdgasbinnenmarktrichtlinie (RL 2009/73/EG) befreit. Diese Richtlinie verpflichtet die Betreiber von Gaspipelines, Erdgasversorgern einen nichtdiskriminierenden Zugang zu ihren Dienstleistungen zu gewähren.
50% der Pipelinekapazität nie genutzt
Mit der genannten Kommissionsentscheidung wurde dem russischen Gasunternehmen Gazprom, das auf dem Markt für Erdgaslieferungen in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine beherrschende Stellung innehat, die Buchung von höchstens 50% der Transportkapazität der OPAL-Pipeline genehmigt. Allerdings sieht die Entscheidung vor, dass diese Grenze überschritten werden darf, wenn Gazprom dem Markt auf der OPAL-Pipeline eine Gasmenge von drei Milliarden Kubikmeter in einem offenen, transparenten und nichtdiskriminierenden Verfahren anbietet. Die nicht gebuchten 50% der Pipelinekapazität wurden jedoch nie genutzt, da Gazprom das Gasfreigabeprogramm nicht durchgeführt hat.
Kommission öffnet ungenutzten 50% der OPAL-Pipelinekapazität für Wettbewerb
Auf Antrag der deutschen Bundesnetzagentur entschied die Kommission mit Beschluss vom 28.10.2016, die nicht genutzten 50% der OPAL-Pipelinekapazität für den Wettbewerb zu öffnen. Obgleich der Betreiber der OPAL-Pipeline in diesem Zusammenhang verpflichtet wurde, Maßnahmen zu treffen, um den Zugang anderer Gaslieferanten als Gazprom zu diesem Netz zu fördern, ist nicht ausgeschlossen, dass nach den zum Verkauf der freigewordenen Kapazitäten durchgeführten Versteigerungen der größte Teil dieser Kapazitäten von Gazprom erworben wird, was diesem Unternehmen eine weitere Diversifizierung des Gastransports von Russland nach Westeuropa ermöglichen würde.
Polen sowie Unternehmen begehren Eilrechtsschutz
Die Republik Polen sowie die Unternehmen PGNiG Supply & Trading und Polskie Górnictwo Naftowe i Gazownictwo haben beim EuG Klage auf Nichtigerklärung des Kommissionsbeschlusses aus dem Jahr 2016 erhoben. Sie haben außerdem beim Präsidenten des Gerichts beantragt, die Vollziehung dieses Beschlusses bis zum Tag der Verkündung der Urteile in der Sache auszusetzen. Sie sind der Ansicht, dass die Erhöhung der Transportkapazitäten der OPAL-Pipeline zwangsläufig eine Verringerung des Gastransports über die Pipelines Jamal-Europa und Brotherhood zur Folge hätte (über die ebenfalls Erdgas von Russland nach Mittel- und Westeuropa befördert wird) und damit die Gasversorgungssicherheit in Polen gefährden oder den Wettbewerb schädigen würde. Sie vertreten die Auffassung, dass sich diese Schäden noch vor der Urteilsverkündung in nicht wiedergutzumachender Weise verwirklichen könnten.
EuG-Präsident: Schwerer nicht wiedergutzumachender Schaden erforderlich
Mit Beschlüssen vom 23.12.2016 ordnete der Präsident des EuG die vorläufige Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses mit Wirkung bis zum Erlass einer endgültigen Entscheidung über die Aussetzungsanträge an. Mit Beschlüssen vom 21.07.2017 hat er zunächst darauf hingewiesen, dass die Aussetzung der Vollziehung einer Handlung angeordnet werden kann, wenn dargetan ist, dass die Anordnung dem ersten Anschein nach in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gerechtfertigt ist und sie dringend erforderlich ist, um zu verhindern, dass der Antragsteller vor Erlass der Entscheidung zur Hauptsache einen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleidet.
Ausnutzung der Transportkapazität des polnischen Pipeline-Abschnitts zunächst wohl gewährleistet
Der EuG-Präsident stellt im vorliegenden Fall fest, dass derzeit zwei von Gazprom geschlossene Verträge in Kraft sind, nämlich ein Transitvertrag für den Transport von Erdgas über den polnischen Abschnitt der Pipeline Jamal-Europa zur Versorgung der Märkte Westeuropas (einschließlich Polens) bis zum Jahr 2020 und ein 1996 mit PGNiG über Erdgaslieferungen geschlossener Vertrag bis Ende des Jahres 2022. Demzufolge seien die Ausnutzung der Transportkapazität des polnischen Abschnitts der Pipeline Jamal-Europa und die Belieferung des polnischen Marktes durch Gazprom dem ersten Anschein nach bis in das Jahr 2020 beziehungsweise bis Ende des Jahres 2022 gewährleistet.
Verwirklichung von Schäden frühestens nach Vertragsablauf
Somit könnten sich die von der Republik Polen und den beiden Unternehmen behaupteten Schäden, selbst wenn ihr tatsächliches Eintreten hinreichend dargetan wäre, frühestens bei Ablauf der genannten Verträge verwirklichen. In Anbetracht der durchschnittlichen Dauer der Verfahren vor dem Gericht würden die Urteile in den vorliegenden Rechtssachen aber wahrscheinlich im Laufe des Jahres 2019 ergehen. Der Präsident des Gerichts stellt daher fest, dass die Republik Polen und die beiden Unternehmen keinen überzeugenden Beweis dafür vorbringen konnten, dass sie den Ausgang der die Klagen betreffenden Verfahren nicht abwarten könnten, ohne sich einem schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden auszusetzen.
Mangels Dringlichkeit Aussetzung der Vollziehung aufgehoben
Was das Vorbringen betrifft, wonach der angefochtene Beschluss den Abschluss privatrechtlicher Verträge gestatte, deren Aufhebung selbst bei einer späteren Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses nicht mehr möglich wäre, stellt der Präsident des Gerichts fest, dass in einem solchen Fall Rechtsbehelfe gegen eine etwaige Durchführung dieser Verträge zur Verfügung stünden. Da es an einem unmittelbaren Bevorstehen des behaupteten Schadens fehlt, stellt der EuG-Präsident fest, dass die Voraussetzung der Dringlichkeit nicht erfüllt ist. Unter diesen Umständen weist er die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses zurück und hebt die am 23.12.2016 angeordnete Aussetzung der Vollziehung auf.