Kläger fochten Mandatserteilung für Brexit-Verhandlungen an
Dreizehn britische Staatsbürger, die außerhalb des Vereinigten Königreichs in der EU leben, klagten beim EuG auf Nichtigerklärung der Ermächtigung zur Aufnahme der Brexit-Verhandlungen, die der Rat der EU der EU-Kommission erteilt hatte. Die Kläger machten geltend, beim Referendum sei ihnen aufgrund ihres Wohnsitzes im Ausland das Stimmrecht versagt worden. Der angefochtene Beschluss wirke sich unmittelbar auf ihre Rechte aus den EU-Verträgen aus und stelle einen Rechtsakt dar, mit dem der Rat die Mitteilung der Absicht des Vereinigten Königreichs, aus der EU auszutreten, akzeptiert habe. Das Ziel der Erhaltung ihres Unionsbürgerstatus sei in diesem Beschluss nicht vorgesehen. Zudem sei das Austrittsverfahren mangels verfassungsmäßiger Zustimmung ungültig. Die beim Gericht erhobene Klage sei der einzig wirksame Weg, unionsgerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, bevor ihr Unionsbürgerstatus am 29.03.2019 unausweichlich verloren gehe.
Rat rügte fehlende Klagebefugnis: Mandatserteilung nur vorbereitender Rechtsakt
Der Rat beantragte, die Klage für unzulässig zu erklären. Eine Entscheidung in der Sache sei nicht möglich, da der fragliche Beschluss nicht von einer natürlichen oder juristischen Person angefochten werden könne und die Kläger weder über ein Rechtsschutzinteresse verfügten noch zur Klage gegen diesen Beschluss befugt seien. Denn der Beschluss habe keinerlei Auswirkung auf die Rechtsstellung der Kläger, sondern sei nur ein vorbereitender Rechtsakt, der die Konsequenzen aus der Mitteilung des Vereinigten Königreichs über seine Austrittsabsicht ziehe. Erst nach Abschluss des in Art. 50 EUV vorgesehenen Verfahrens könnten die Rechte der Kläger betroffen sein.
EuG: Klage mangels unmittelbarer Rechtsbetroffenheit unzulässig
Das EuG hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Um Gegenstand einer Klage sein zu können, müsse ein Rechtsakt die Kläger zumindest unmittelbar betreffen und sich unmittelbar auf ihre Rechtsstellung auswirken. Dies sei hier nicht der Fall. Der Beschluss des Rates entfalte zwar Rechtswirkungen zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten sowie zwischen den Unionsorganen, wirke sich aber nicht unmittelbar auf die Rechtsstellung der Kläger aus. Denn der Beschluss verändere nicht die Rechtsstellung der britischen Staatsbürger, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vereinigten Königreich lebten, und zwar weder ihre Stellung zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses noch ihre Stellung ab dem Tag des Austritts. Die Kläger machten daher zu Unrecht geltend, dass sie insbesondere in Bezug auf ihre Eigenschaft als Unionsbürger, ihr Wahlrecht bei Europa- und Kommunalwahlen, ihr Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihr Recht, sich frei zu bewegen, aufzuhalten und zu arbeiten, ihr Recht auf Eigentum und ihre Ansprüche auf Sozialleistungen unmittelbar betroffen seien. Auch wenn damit zu rechnen sei, dass die Rechtsstellung der Kläger insbesondere hinsichtlich ihres Unionsbürgerstatus mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union beeinträchtigt werden wird, gleich ob ein Austrittsabkommen zustande komme oder nicht, sei diese mögliche Beeinträchtigung ihrer Rechte nicht Folge des angefochtenen Beschlusses.
Mandatserteilung weder Bestätigung noch Anerkennung der Austrittsabsicht
Laut EuG enthält der angefochtene Beschluss überdies keine Entscheidung, mit der die Mitteilung der Austrittsabsicht vom 29.03.2017 bestätigt oder akzeptiert würde. Die Kläger könnten daher weder geltend machen, dass der Rat mit diesem Beschluss die Mitteilung der Austrittsabsicht implizit akzeptiert hat, noch, dass der Beschluss den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union festgeschrieben hat.
Mandatserteilung nur vorbereitender Rechtsakt
Hinsichtlich der Erhaltung des Unionsbürgerstatus der Kläger führt das EuG aus, dass der angefochtene Beschluss nur ein vorbereitender Rechtsakt sei, der dem Inhalt des möglichen endgültigen Abkommens, insbesondere hinsichtlich des Anwendungsbereichs etwaiger Regelungen über die Erhaltung des Status und der Rechte britischer Staatsbürger in der Union mit 27 Mitgliedstaaten, nicht vorgreifen könne, zumal es nicht Gegenstand des angefochtenen Beschlusses sei, diese Rechte für den Fall des Nichtabschlusses eines Abkommens zu regeln. Die Kläger könnten daher nicht damit argumentieren, dass der angefochtene Beschluss keine Gewissheit über die Rechte im Ausland lebender britischer Staatsbürger herbeiführe.
Kläger hätten vor britischem Gericht klagen können
Das behauptete Fehlen einer eindeutigen verfassungsmäßigen Zustimmung sämtlicher britischer Staatsbürger zum Austrittsverfahren ändere nichts am Fehlen unmittelbarer Auswirkungen des Beschlusses auf die Rechtsstellung der Kläger und an der daraus folgenden Unzulässigkeit der Klage. Auch mit dem Vorbringen, dass anderweitig kein wirksamer unionsgerichtlicher Rechtsweg bestehe, könnten die Kläger nicht durchdringen. Das EuG erläutert, dass die von ihm zu beurteilende Tragweite des angefochtenen Beschlusses nicht den möglichen Verlust des Unionsbürgerstatus umfasse, da der Beschluss in Bezug auf die Kläger nur einen vorbereitenden Rechtsakt darstellt. Außerdem seien für die gerichtliche Kontrolle der Einhaltung des Unionsrechts nicht nur der Europäische Gerichtshof und das EuG zuständig, sondern auch die Gerichte der Mitgliedstaaten. Der Rechtsakt, mit dem das Vereinigte Königreich dem Rat seine Austrittsabsicht mitgeteilt habe, und das fehlende Stimmrecht bestimmter britischer Staatsbürger hätten Gegenstand einer Klage vor einem Gericht des Vereinigten Königreichs sein können.
Gefahr der Missachtung künftiger unionsrichterlicher Entscheidungen über mögliches Austrittsabkommen ohne Belang
Auch das Argument der Kläger, allein die vorliegende Klage könne ihr Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz wahren, da sich das Vereinigte Königreich im Fall eines zukünftigen Rechtsstreits über das mögliche Austrittsabkommen nicht an eine unionsrichterliche Entscheidung gebunden sehen könnte, greife nicht durch. Denn die Zulässigkeit der vorliegenden Klage hänge nicht davon ab, ob sich das Vereinigte Königreich in Zukunft an eine unionsrichterliche Entscheidung gebunden sehen wird, sondern davon, ob sich der angefochtene Beschluss unmittelbar auf die Rechtsstellung der Kläger auswirkt.