Maßnahmen Europäischer Bürgerinitiative für mehr Diversität durften abgelehnt werden

Die Europäische Kommission hat die von der Europäischen Bürgerinitiative "Minority SafePack – one million signatures for diversity in Europe" vorgeschlagenen Maßnahmen zu Recht abgelehnt. Dies entschied das Europäische Gericht am Mittwoch. Die von der Union bereits ergriffenen Maßnahmen zur Hervorhebung der Bedeutung der Regional- und Minderheitensprachen sowie zur Förderung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt würden ausreichen, so das Gericht.

Erlass verschiedener Rechtsakte gefordert

Der Kläger, das Citizens‘ Committee of the European Citizens‘ Initiative "Minority SafePack – one million signatures for diversity in Europe", beantragte bei der Europäischen Kommission, die geplante Europäische Bürgerinitiative (EBI) "Minority SafePack – one million signatures for diversity in Europe" zu registrieren. Mit der geplanten EBI sollte die Europäische Union dazu aufgefordert werden, eine Reihe von Rechtsakten zu erlassen, um den Schutz von Personen, die nationalen und sprachlichen Minderheiten angehören, zu verbessern sowie die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der Union zu stärken.

Kommission lehnte verlangte Maßnahmen ab

Nachdem die Kommission die geplante EBI registriert hatte und genügend Unterschriften zu ihrer Unterstützung gesammelt worden waren, legte der Kläger die fragliche EBI der Kommission vor. Auf die Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dieser EBI hin nahm die Kommission am 14.01.2021 die Mitteilung an, mit der sie das Ergreifen der in der EBI verlangten Maßnahmen ablehnte.

Initiative machte mehrere Vorschläge

Diese Maßnahmen waren Gegenstand von neun Vorschlägen, die sich unter anderem auf Folgendes bezogen: Eine Empfehlung des Rates zum Schutz und zur Förderung kultureller und sprachlicher Vielfalt in der Union (Vorschlag 1), einen Beschluss oder eine Verordnung des Parlaments und des Rates zur Schaffung eines durch die Union finanzierten Zentrums für Sprachenvielfalt im Bereich der Regional- und Minderheitensprachen, das den Auftrag hat, die Vielfalt auf allen Ebenen zu fördern (Vorschlag 3), eine Änderung des Unionsrechts mit dem Ziel, eine annähernde Gleichstellung von Staatenlosen und Unionsbürgern zu gewährleisten (Vorschlag 6), und eine Änderung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste, um den freien Dienstleistungsverkehr und den Empfang audiovisueller Inhalte in Regionen, in denen Angehörige nationaler Minderheiten wohnen, zu gewährleisten (Vorschlag 8).

Nichtigerklärung der Mitteilung der Kommission abgewiesen

Mit seinem Urteil hat das EuG die Klage auf Nichtigerklärung der Mitteilung der Kommission abgewiesen. Das EuG betonte, dass die vorliegende Rechtssache dem Gericht die Gelegenheit gebe, klarzustellen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung – vorbehaltlich der Einhaltung der Anforderungen der Verordnung 2019/788 – die Kommission nicht dazu verpflichte, mit den Organisatoren jeder EBI genau gleich viele Treffen abzuhalten, und zum anderen die Feststellungen heranzuziehen, die der Gerichtshof im Urteil Préfet du Gers und Institut national de la statistique et des études économiques in Bezug auf die ausschließlich Unionsbürgern vorbehaltenen Rechte getroffen hat.

Begründungspflicht eingehalten

Als erstes stellte das EuG fest, dass die Kommission in Bezug auf die angefochtene Mitteilung die Begründungspflicht eingehalten hat. Unter Berücksichtigung der von den Unionsorganen in den von der fraglichen EBI erfassten Bereichen bereits ergriffenen Maßnahmen und angesichts der Tatsache, dass sie die Umsetzung dieser Maßnahmen überwacht, habe die Kommission befunden, dass derzeit keine weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen erforderlich seien, um die mit dieser EBI angestrebten Ziele zu erreichen.

Kein Verstoß gegen Grundsatz der Gleichbehandlung

Als zweites hob das EuG hervor, dass die Zahl der Treffen, die die Kommission mit den Organisatoren einer EBI abhält, in Abhängigkeit unter anderem von der Art oder der Komplexität der EBI durchaus variieren könne, ohne dass dies gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstieße. Die Kommission sei also nicht verpflichtet, mit den Organisatoren jeder EBI genau gleich viele Treffen abzuhalten.

EuG sieht keine offensichtlichen Beurteilungsfehler

Als drittes stellte das Gericht fest, dass die Kommission bei der Prüfung der Vorschläge 1, 3, 6 und 8 der fraglichen EBI keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat. So habe die Kommission in Bezug auf den Vorschlag 1 in der angefochtenen Mitteilung zu Recht die Charta des Europarats angeführt, um ihre Entscheidung zu begründen, keine Maßnahme im Sinne dieses Vorschlags zu ergreifen. Der Umstand, dass die Union nicht Vertragspartei dieser Charta ist, belege keinen offensichtlichen Beurteilungsfehler der Kommission, da der Kläger nicht bestreite, dass die Union dieses Dokument regelmäßig als Rechtsinstrument anführt, das die Leitlinien für die Förderung und den Schutz von Regional- und Minderheitensprachen vorgibt. Außerdem sei die Tatsache, dass manche Mitgliedstaaten die Charta noch nicht unterzeichnet oder ratifiziert haben, für die Beurteilung der Maßnahmen der Union in diesem Bereich ohne Belang. Desgleichen könne von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie bei der Prüfung einer EBI ausschließlich Handlungen der Union berücksichtige, die sich auf sämtliche Mitgliedstaaten und alle von dieser EBI betroffenen Personen beziehen. Im Übrigen sei die Tatsache, dass ein bestimmter Rechtsakt bei isolierter Betrachtung nicht die vollständige Erreichung der mit einer EBI angestrebten Ziele ermöglicht, ohne Belang, wenn die von der Kommission in ihrer Mitteilung angeführten Rechtsakte und Maßnahmen in ihrer Gesamtheit geeignet sind, zur Verwirklichung dieser Ziele beizutragen.

Verwirklichung der mit Vorschlag 3 angestrebten Ziele bereits auf dem Weg

Was den Vorschlag 3 anbelangt, befand das Gericht gleichermaßen, dass die Kommission zu Recht angenommen hat, dass die Aufgaben, Ziele und Tätigkeiten des Europäischen Fremdsprachenzentrums des Europarats (EFSZ) geeignet sind, zur Verwirklichung der mit diesem Vorschlag angestrebten Ziele beizutragen, die insbesondere darin bestünden, das Bewusstsein für die Bedeutung von Regional- und Minderheitensprachen zu stärken und die Vielfalt auf verschiedenen Ebenen zu fördern. Insoweit sei die Kommission in der angefochtenen Mitteilung zu Recht davon ausgegangen, dass die Aufrechterhaltung und Entwicklung einer Zusammenarbeit mit einer anderen internationalen Organisation in Bereichen, die jenen entsprechen, die der Kläger dem Zentrum für Sprachenvielfalt zuweisen wollte, nämlich die Zusammenarbeit mit dem EFSZ, dem sich die meisten Mitgliedstaaten der Union angeschlossen haben und das eng mit dem Europarat verbunden ist, geeignet ist, zur Erreichung der mit dem Vorschlag 3 angestrebten Ziele beizutragen und die Verdoppelung von Aufwand und Ressourcen zu vermeiden.

Gericht hebt mit Unionsbürgerstatus verbundene Rechte hervor

In Bezug auf den Vorschlag 6, der darauf abzielt, die mit der Unionsbürgerschaft zusammenhängenden Rechte auf Staatenlose und ihre Familien auszuweiten, die schon immer in ihrem Herkunftsland gelebt haben, wies das EuG darauf hin, dass der Besitz der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats eine unabdingbare Voraussetzung dafür sei, dass eine Person den Unionsbürgerstatus erlangen und behalten und sämtliche damit verbundenen Rechte in Anspruch nehmen kann. Daher könnten gemäß dem vorgenannten Urteil Préfet du Gers und Institut national de la statistique et des études économiques die mit dem Unionsbürgerstatus verbundenen Rechte nicht auf Personen ausgeweitet werden, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen. Überdies sei die Kommission zu Recht davon ausgegangen, dass ihr Aktionsplan für Integration und sozialen Zusammenhalt geeignet sei, dem Bedürfnis der Staatenlosen nach besserer Integration in die Gesellschaft durch bessere Beschäftigungs- und Bildungsperspektiven sowie bessere soziale Chancen Rechnung zu tragen.

EuG verweist in Bezug auf Vorschlag 8 auf Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste

Zu Vorschlag 8 führte das EuG aus, dass die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste bereits den Empfang und die Weiterverbreitung audiovisueller Mediendienste in der gesamten Union erleichtere. Dies betreffe insbesondere audiovisuelle Inhalte aus Mitgliedstaaten, die an einen bestimmten Mitgliedstaat angrenzen, und zwar in Sprachen, die für Personen interessant sein können, die nationalen Minderheiten in letzterem Mitgliedstaat angehören. Zudem habe die Kommission zutreffend angenommen, dass die Überwachung der Anwendung dieser Richtlinie dazu beitragen könne, ein mit dem Vorschlag 8 verfolgtes Ziel zu erreichen, nämlich den Zugang zu audiovisuellen Inhalten unterschiedlicher Herkunft und in verschiedenen Sprachen zu verbessern. Folglich konnte die Kommission nach Ansicht des EuG berechtigterweise den Schluss ziehen, dass keine Änderung der genannten Richtlinie erforderlich sei, um das mit dem Vorschlag 8 verfolgte Ziel zu erreichen.

EuG, Urteil vom 09.11.2022 - T-158/21

Redaktion beck-aktuell, 9. November 2022.