Einlagensicherungsfonds wollte angeschlagene Bank unterstützen
Die italienische Banca delle Marche geriet in finanzielle Schieflage und wurde unter Sonderverwaltung gestellt. Der italienische Interbankenfonds zur Einlagensicherung beabsichtigte Unterstützungsmaßnahmen zur Rekapitalisierung der Bank. Die EU-Kommission teilte den italienischen Behörden mit, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass diese Maßnahmen staatliche Beihilfen darstellen, die vor ihrer Genehmigung durch die italienische Zentralbank notifiziert werden müssten.
Kommission wies auf eventuelles Vorliegen staatlicher Beihilfen hin
In der Folge wies die Kommission erneut auf die Möglichkeit des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe hin und forderte die italienischen Behörden auf, davon abzusehen, Maßnahmen des Interbankenfonds durchzuführen, bevor diese notifiziert worden seien und die Kommission darüber entschieden habe. Am 08.10.2015 legte der Interbankenfonds die wesentlichen Elemente eines zweiten Versuchs für eine Unterstützungsmaßnahme zugunsten der Banca delle Marche fest, genehmigte diese und setzte die Zentralbank davon in Kenntnis. Mit Schreiben vom 19.11.2015 machte die Kommission die italienischen Behörden darauf aufmerksam, dass die Verwendung eines Einlagensicherungssystems zur Rekapitalisierung einer Bank den Regelungen im Bereich der staatlichen Beihilfen unterliege.
Abwicklung der Bank eingeleitet
Am 21.11.2015 leitete die Banca d’Italia ein Abwicklungsverfahren ein, dessen Plan zuvor der Kommission notifiziert worden war. In diesem Plan wies die Banca d’Italia insbesondere darauf hin, dass eine Rekapitalisierung der Banca delle Marche durch den Interbankenfonds nicht habe stattfinden können, weil keine "vorherige positive Bewertung der Kommission über die Vereinbarkeit [dieses Vorhabens] mit den Regelungen [der Union] im Bereich der staatlichen Beihilfen" vorgelegen habe.
Ehemalige Anteilseignerinnen begehren Schadenersatz
Die Klägerinnen waren Anteilseignerinnen und Inhaberinnen nachrangiger Schuldverschreibungen der Banca delle Marche. Sie sind der Ansicht, die Kommission durch rechtswidrige Anweisungen die Rettung der Bank verhindert und die italienischen Behörden veranlasst, ein Verfahren zur Abwicklung der Banca delle Marche nach den italienischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2014/59/EU einzuleiten. Sie klagten daher beim EuG auf Feststellung der außervertraglichen Haftung der Union.
EuG weist Klage ab
Das EuG hat die Klage abgewiesen. Es weist das Vorbringen der Klägerinnen zurück, wonach die Schreiben und vorläufigen Stellungnahmen der Kommission, die zum Erlass des Beschlusses über die Abwicklung der Banca delle Marche geführt hätten, darauf zurückzuführen seien, dass die Kommission den Begriff der "Beihilfe" verkannt habe, da sie zu Unrecht angenommen habe, dass die Maßnahmen des Interbankenfonds ungeachtet ihres privatrechtlichen Charakters Maßnahmen darstellten, die dem italienischen Staat zurechenbar seien und staatliche Mittel umfassten.
Kommission hat nicht mit Blockierung der Unterstützung gedroht
Laut EuG enthalten diese Schreiben und Stellungnahmen keine rechtliche Beurteilung im Hinblick auf die Kriterien des Beihilfenbegriffs, weil die Kommission die italienischen Behörden darauf hingewiesen habe, dass etwaige Beihilfenmaßnahmen zugunsten der Banca delle Marche vorab notifiziert werden müssten und nicht durchgeführt werden dürften. Die Kommission habe sich darin also weder zu einer konkreten Maßnahme noch dazu geäußert, wie sie den Begriff der "Beihilfe" genau auslege. Daher habe die Kommission den italienischen Behörden weder damit gedroht, etwaige Maßnahmen des Interbankenfonds zugunsten der Banca delle Marche zu blockieren oder zu verbieten, noch habe sie in dieser Hinsicht Druck ausgeübt.
Keine Berufung auf Einschätzung im Fall der Banca Tercas möglich
Die Klägerinnen könnten sich nicht auf den Beschluss zur Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens über die Maßnahme des Interbankenfonds zugunsten von Banca Tercas vom 27.02.2015 berufen, in dem die Kommission die Ansicht vertreten habe, dass diese Maßnahme die Kriterien der Zurechenbarkeit und der staatlichen Mittel erfüllte. Anders als bei den Unterstützungsmaßnahmen für Banca Tercas habe es nämlich vor Erlass des Beschlusses zur Abwicklung der Banca delle Marche weder einen endgültigen Plan für eine Maßnahme des Interbankenfonds zugunsten der Banca delle Marche noch einen an die Zentralbank gerichteten Antrag auf Genehmigung eines solchen Plans, eine förmliche Notifizierung desselben oder einen anderen Grund für die Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens durch die Kommission gegeben. Deshalb habe die Kommission nicht mit hinreichender Genauigkeit erkennen können, ob die vom Interbankenfonds zugunsten der Banca delle Marche beabsichtigten eventuellen Maßnahmen möglicherweise die Kriterien für eine Beihilfe erfüllten.
Ausfall der Bank für Abwicklungsbeschluss maßgeblich
Nach den Feststellungen des Gerichts waren die entscheidenden Gesichtspunkte für den Beschluss zur Abwicklung der Banca delle Marche der Ausfall dieser Bank. Davon hätten der Gesamtverlust von 1,445 Milliarden Euro und ein Vermögensdefizit von 1,432 Milliarden Euro zum 30.09.2015 gezeugt sowie der Umstand, dass es während des Verfahrens der Sonderverwaltung nicht möglich gewesen sei, Maßnahmen des Privatsektors zu ermitteln, die die Krisensituation dieser Bank hätten beheben können. Im Übrigen hätten die Sonderverwalter der Banca delle Marche schon vor der Umsetzung der Richtlinie 2014/59/EU in italienisches Recht, die eine solche Unterstützungsmaßnahme ermöglicht hätte, die Banca d’Italia über die unmittelbar bevorstehende Zahlungseinstellung dieser Bank sowie über ihre Befürchtung informiert, dass diese angesichts ihrer finanziellen Situation nicht mehr rechtzeitig gerettet werden könne. Nach Auffassung des Gerichts zeigt dies für sich genommen, dass ein schnelles Eingreifen des Interbankenfonds nicht möglich gewesen wäre, und zwar unabhängig von dem etwaigen Erfordernis der vorherigen Notifikation bei der Kommission.
Kausalzusammenhang zwischen Kommissionsverhalten und Schaden nicht genügend dargelegt
Darüber hinaus weist das Gericht das Vorbringen der Klägerinnen zurück, wonach das der Kommission vorgeworfene, angeblich rechtswidrige Verhalten die Rettung der Banca delle Marche verhindert hätte und die tatsächliche und ausschließliche Ursache für den von ihnen erlittenen Schaden gewesen sei. Auch wenn dieses Verhalten bei der Untersuchung eine gewisse Rolle gespielt habe, die dazu geführt habe, dass die italienischen Behörden die Abwicklung der Banca delle Marche beschlossen, sei deren Beschluss, das Verfahren zur Abwicklung dieser Bank einzuleiten, der in Ausübung ihrer eigenen Befugnisse und im Rahmen ihres Ermessensspielraums erfolgt sei, dennoch eigenständig. Er sei nicht entscheidend von der Haltung der Kommission beeinflusst worden und habe sich wesentlich darauf gestützt, dass die italienischen Behörden den Ausfall dieser Bank festgestellt hatten, was den maßgeblichen Grund für die Abwicklung darstellt habe. Daher hätten die Klägerinnen nicht rechtlich hinreichend dargelegt, dass der Interbankenfonds ohne das angeblich rechtswidrige Verhalten der Kommission mit Zustimmung der italienischen Behörden, insbesondere der Zentralbank, tatsächlich zur Rettung der Banca delle Marche im November 2015 in der Lage gewesen wäre.