EuG: Keine gleichzeitige Ausübung von Funktionen der Geschäftsleitung und der Aufsicht in Kreditinstituten

Das Gericht der Europäischen Union hat mit Urteil vom 24.04.2018 entschieden, dass ein und dieselbe Person nicht zugleich die Stelle des Vorsitzenden des Verwaltungsrats und des "verantwortlichen Geschäftsleiters" in beaufsichtigten Kreditinstituten innehaben kann. Der Begriff "verantwortlicher Geschäftsleiter" beziehe sich auf die Mitglieder der Geschäftsleitung, eine Funktion, die nicht mit einer Aufsichtsfunktion kumuliert werden dürfe (Az.: T-133/16 bis T-136/16).

EZB lehnt Personenidentität von Verwaltungsratsvorsitzendem und "verantwortlichem Geschäftsleiter" ab

Die Crédit agricole ist eine französische dezentrale Bankengruppe, die unter anderem über regionale Kassen verfügt. Vier von diesen regionalen Kassen wollten ein und dieselbe Person auf die Stelle des Vorsitzenden des Verwaltungsrats und des "verantwortlichen Geschäftsleiters" ernennen. Die Europäische Zentralbank (EZB), die mit der Beaufsichtigung der Crédit agricole betraut ist, genehmigte die Benennung der betreffenden Personen als Vorsitzende des Verwaltungsrats, sprach sich aber dagegen aus, dass diese gleichzeitig die Funktion des "verantwortlichen Geschäftsleiters" wahrnehmen.

EZB: Strikte Trennung von Leitungs- und Aufsichtsfunktionen innerhalb eines Leitungsorgans erforderlich

Die EZB vertrat die Auffassung, dass die Funktionen, die es einer Person erlaubten, zum "verantwortlichen Geschäftsleiter" im Sinn des französischen Rechts und der Richtlinie 2013/36/EU bestellt zu werden, Führungsaufgaben (wie die des Geschäftsführers) seien, die sich von jenen unterschieden, die dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats anvertraut seien. Es müsse grundsätzlich eine Trennung zwischen der Ausübung von Leitungs- und Aufsichtsfunktionen innerhalb eines Leitungsorgans geben.

Regionalkassen klagten auf Nichtigkeit

Die vier regionalen Kassen erhoben Klage beim Gericht der Europäischen Union, um die Entscheidungen der EZB für nichtig erklären zu lassen. Im Wesentlichen machen sie geltend, dass die EZB den Begriff "verantwortlicher Geschäftsleiter" nicht richtig ausgelegt habe, indem sie diesen auf die Mitglieder der Geschäftsleitung, die über Leitungsfunktionen verfügten, beschränkt habe.

EuG: Begriff des "verantwortlichen Geschäftsleiters" erfasst zur Geschäftsleitung gehörende Mitglieder des Leitungsorgans

Das EuG hat die Klagen abgewiesen und den Ansatz der EZB für gültig erklärt. Das Gericht hat den Begriff "verantwortlicher Geschäftsleiter" eines Kreditinstituts im Hinblick auf Art. 13 der Richtlinie 2013/36/EU geprüft. Dabei hat es ihn dahin ausgelegt, dass er sich auf die Mitglieder des Leitungsorgans bezieht, die zur Geschäftsleitung des Kreditinstituts gehören. Das EuG weist insbesondere auf das vom Unionsgesetzgeber im Bereich der verantwortungsvollen Verwaltung von Kreditinstituten verfolgte Ziel hin.

Wirksame Kontrolle bei gleichzeitiger geschäftsleitender Tätigkeit gefährdet

Dieses Ziel sei im Wege einer wirksamen Kontrolle der Geschäftsleitung durch die nicht geschäftsführenden Mitglieder des Leitungsorgans zu verwirklichen, die ein Kräftegleichgewicht innerhalb des Leitungsorgans voraussetze. Die Wirksamkeit einer solchen Kontrolle könnte gefährdet werden, wenn der Vorsitzende des Leitungsorgans in seiner Kontrollfunktion, ohne formell die Funktion des Geschäftsführers auszuüben, zugleich für die tatsächliche Geschäftsleitung der Tätigkeit des Kreditinstituts zuständig wäre.

EZB-Entscheidung auch im Übrigen fehlerfrei

Das EuG stellt weiter fest, dass die EZB durch die richtige Auslegung des Begriffs "verantwortlicher Geschäftsleiter" auch Art. 88 der Richtlinie 2013/36/EU richtig angewandt habe. Dieser bestimme, dass der Vorsitzende des Leitungsorgans eines Kreditinstituts (wie der Vorsitzende des Verwaltungsrats) in seiner Aufsichtsfunktion in diesem Institut nicht gleichzeitig die Funktion des Geschäftsführers wahrnehmen darf, es sei denn, die zuständigen Behörden hätten eine ausdrückliche Genehmigung erteilt. Schließlich führt das Gericht aus, dass die EZB auch die Bestimmungen des französischen Code monetaire et financier (Währungs- und Finanzgesetzbuch) in der Auslegung des französischen Conseil d’État (Staatsrat) richtig angewandt habe, mit denen die Richtlinie 2013/36/EU umgesetzt worden sei.

EuG, Urteil vom 24.04.2018 - T-133/16

Redaktion beck-aktuell, 24. April 2018.

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