Sämtliche Gelder in EU wurden eingefroren
In der Folge der politischen Ereignisse in Ägypten ab Januar 2011 erließ der Rat der Europäischen Union am 21.03.2011 einen Beschluss über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte als für die rechtswidrige Verwendung ägyptischer staatlicher Gelder verantwortlich ermittelte Personen und gegen mit diesen verbundene Personen. Der Beschluss, der ein Einfrieren sämtlicher Gelder dieser Personen in der Union vorsah, erfolgte im Rahmen einer Politik zur Unterstützung eines friedlichen Übergangs zur Bildung einer zivilen und demokratischen Regierung in Ägypten auf dem Boden des Rechtsstaats.
Verwandte Mubaraks wenden sich gegen Einfrieren ihrer Guthaben
Dieser Beschluss, der in den folgenden Jahren verlängert wurde, betrifft unter anderem Suzanne Saleh Thabet, die Ehefrau des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Mohamed Hosni Mubarak, ihre Söhne und deren Ehefrauen mit der Begründung, dass die ägyptischen Behörden gerichtliche Verfahren wegen rechtswidriger Verwendung staatlicher Gelder gegen diese Personen eingeleitet hätten. Diese Personen beantragten beim EuG, die Rechtsakte, mit denen das Einfrieren ihrer Guthaben in den Jahren 2016 und 2017 verlängert wurde, für nichtig zu erklären. Für sie gebe es keine Rechtsgrundlage. Die gerichtlichen Verfahren in Ägypten missachteten das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und die Unschuldsvermutung – die von der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geschützt würden. Zudem habe der Rat die durch den Beschluss festgelegten Kriterien, die Verteidigungsrechte und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, verletzt.
EuG: Beschlüsse fallen in Bereich Gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik der EU
Das Gericht hat die Klagen abgewiesen und die Beschlüsse des Rates bestätigt, das Einfrieren der Guthaben der Kläger zu verlängern. Das Gericht prüft zunächst die von den Klägern auf der Grundlage von Art. 277 AEUV in Zweifel gezogene Rechtmäßigkeit der restriktiven Maßnahmen in ihrer Gesamtheit. Es weist darauf hin, dass die Beschlüsse in den Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Union fallen und auf der Grundlage von Art. 29 EUV erlassen werden konnten.
Geänderte Lage in Ägypten steht Verlängerung der Beschlüsse nicht entgegen
Das EuG hebt außerdem hervor, dass auch der Umstand, dass sich die Lage in Ägypten seit 2011– möglicherweise auch in eine dem Demokratisierungsprozess entgegengesetzte Richtung – verändert haben sollte, die Befugnis des Rates zur Verlängerung seines Erstbeschlusses nicht in Frage stellt. Die restriktiven Maßnahmen müssten grundsätzlich bis zum Abschluss der gerichtlichen Verfahren in Ägypten aufrechterhalten werden, um ihre praktische Wirksamkeit zu wahren. Sie hingen daher nicht von nachfolgend im Rahmen des politischen Übergangsprozesses in diesem Land eintretenden Regierungsänderungen ab.
Fehlende Rechtsstaatlichkeit im Rahmen der Gerichtsverfahren nicht erwiesen
Das Gericht führt weiter aus, dass die von den Klägern vorgelegten Beweise für sich genommen nicht ausreichen, um die Feststellung zu tragen, dass die Fähigkeit der ägyptischen Behörden zur Gewährleistung der Beachtung der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte im Rahmen der Gerichtsverfahren, auf denen der Beschluss des Rates beruht, durch die erwähnten Änderungen des politischen und justiziellen Hintergrundes dauerhaft beeinträchtigt worden ist. Dem Rat sei also kein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, indem er zu der Auffassung gelangt ist, er verfüge über hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte in Bezug auf den politischen und justiziellen Hintergrund in Ägypten, um die Zusammenarbeit mit den Behörden dieses Landes fortzusetzen.
Verweis auf allgemeine Grundrechtslage in Ägypten nicht ausreichend
Das Gericht stellt fest, dass sich die im vorliegenden Fall von den Klägern in Bezug auf die Verstöße gegen ihr Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und die Unschuldsvermutung vorgebrachten Beweiselemente zum Teil auf die allgemeine Grundrechtslage in Ägypten in den Jahren 2013 bis 2017 oder auf die justizielle Behandlung des ehemaligen ägyptischen Präsidenten beziehen und keine unmittelbare Verbindung zu ihrer eigenen Lage aufweisen. Außerdem zeigten die Beweiselemente, die sich auf die gegen die Söhne von Mubarak eingeleiteten Strafverfahren beziehen, keine fehlende Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit der ägyptischen Behörden. Folglich stellten diese Elemente keine hinreichend präzisen, konkreten und schlüssigen Indizien dar, die beim Rat berechtigte Fragen aufkommen lassen könnten.
Kriterium von Gerichtsverfahren wegen rechtswidriger Verwendung staatlicher Gelder erfüllt
Was die allgemeinen Kriterien des Beschlusses betrifft, weist das Gericht vorab darauf hin, dass diese Kriterien von der Rechtsprechung weit ausgelegt werden. So genüge es, dass gegen die Kläger gerichtliche Verfahren wegen Sachverhalten anhängig sind, die als rechtswidrige Verwendung staatlicher Gelder eingestuft werden können. Im Übrigen obliege es im Rahmen der Zusammenarbeit mit den ägyptischen Behörden dem Rat grundsätzlich nicht zu überprüfen, ob die Gesichtspunkte, auf die sich die Strafverfahren gegen die Kläger stützen, zutreffend und erheblich sind. Das EuG ist auch der Auffassung, dass der Begriff des gerichtlichen Verfahrens auf ein Verfahren anwendbar ist, das die Durchführung einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung zum Gegenstand hat.
Beschlüsse für alle Familienmitglieder rechtmäßig
Im vorliegenden Fall stellt es zunächst zu Saleh Thabet fest, dass diese in vom Büro des Generalstaatsanwalts von Ägypten vorgelegten Dokumenten als Gegenstand verschiedener laufender gerichtlicher Verfahren erwähnt wird, die unter anderem die Verteilung luxuriöser Geschenke betreffen, die von Zeitungen gekauft wurden, die im Eigentum des Staates stehen. Da aus diesen Dokumenten hinreichend klar hervorgeht, dass der Staatsanwalt die fraglichen Sachverhalte im Wesentlichen als rechtswidrige Verwendung staatlicher Gelder eingestuft hat, ist das Gericht der Ansicht, dass Saleh Thabet die Kriterien des Beschlusses erfüllte. Was die Söhne Mubaraks betrifft, stellt das EuG insbesondere fest, dass der Rat sich auf ein gerichtliches Verfahren über die Verwendung staatlicher Gelder für die Renovierung von Privatresidenzen stützen durfte, da ihre im Hinblick auf eine gütliche Regelung unternommenen Schritte zum Zeitpunkt der angefochtenen Beschlüsse noch zu keinem Ergebnis geführt hatten. In Bezug auf ihre Ehefrauen schließlich stellt es unter anderem fest, dass diese Gegenstand geltender Sicherungsmaßnahmen im Zusammenhang mit den gegen ihre Ehegatten geführten Strafverfahren sind.
Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt – Restriktive Maßnahmen verhältnismäßig
Schließlich stellt das Gericht in Bezug auf die Verteidigungsrechte klar, dass es für die Nichtigerklärung eines streitigen Rechtsakts wegen einer die Verteidigungsrechte betreffenden Unregelmäßigkeit erforderlich ist, dass das Verfahren ohne diese Unregelmäßigkeit einen anderen Ausgang hätte haben können und diese somit die Verteidigungsrechte des Beklagten beeinträchtigt hat. Das sei vorliegend nicht der Fall. In Bezug auf den angeblichen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist das EuG der Auffassung, dass die vom Rat im Rahmen seines Beschlusses getroffenen restriktiven Maßnahmen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgen, nämlich die Stützung des Rechtsstaats. Sie sind auch erforderlich und diesem Ziel angemessen, da sie naturgemäß vorübergehender Art und reversibel sind.