Genehmigung deutscher Corona-Hilfen für Condor gekippt
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Das Gericht der Europäischen Union hat auf Klage von Ryanair einen Beschluss der EU-Kommission für nichtig erklärt, mit dem diese deutsche Beihilfen für Condor genehmigt hatte. Die Kommission habe ihre Entscheidung nicht ausreichend begründet, so das Gericht. Praktisch bleibt dies zunächst aber ohne Folgen, da das EuG die Wirkungen der Nichtigerklärung bis zum Erlass eines neuen Kommissionsbeschlusses ausgesetzt hat.

Kommission genehmigte Beihilfen für Condor

Deutschland hatte im April 2020 bei der EU-Kommission eine Einzelbeihilfe zugunsten von Condor angemeldet. Dabei handelte es sich um zwei staatlich abgesicherte Darlehen mit vergünstigtem Zinssatz in Höhe von 550 Millionen. Damit sollten Condor die Schäden ersetzt werden, die ihr unmittelbar durch Annullierung oder Verschiebung von Flügen infolge von Reisebeschränkungen in der Corona-Pandemie entstanden waren. Die Kommission erklärte die Beihilfe gemäß Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar.

Ryanair klagte auf Nichtigkeit

Binnenmarktkonform sind danach Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind. Bei der Bemessung der Schäden berücksichtigte die Kommission zusätzliche Kosten Condors aufgrund der Verlängerung des Insolvenzverfahrens im April 2020, nachdem der Verkauf an einen Investor gescheitert war. Ryanair erhob beim EuG Nichtigkeitsklage. Das Unternehmen rügte unter anderem, die Kommission habe ihre Begründungspflicht verletzt.

EuG: Kommission hat Genehmigung nicht ausreichend begründet

Das EuG hat der Nichtigkeitsklage stattgegeben, aber die Wirkungen der Nichtigerklärung bis zum Erlass eines neuen Kommissionsbeschlusses ausgesetzt. Die Kommission habe die zusätzlichen Kosten infolge der Verlängerung des Insolvenzzeitraums ohne ausreichende Begründung bei der Schadensbemessung berücksichtigt. Sie habe einen unmittelbaren Kausalzusammenhang zwischen den durch die Verlängerung des Insolvenzzeitraums und den durch die Annullierung/Verschiebung der Condor-Flüge aufgrund der Corona-Reisebeschränkungen angefallenen Kosten unzureichend dargetan.

Kommission muss unmittelbaren Kausalzusammenhang darlegen

Gemäß Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV dürften nur die unmittelbar durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse verursachten wirtschaftlichen Nachteile im Sinne dieser Vorschrift ausgeglichen werden. Es müsse also ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den durch das außergewöhnliche Ereignis verursachten Schäden und der staatlichen Beihilfe bestehen, und die entstandenen Schäden müssten möglichst genau bewertet werden. Die Kommission müsse somit prüfen, ob sich die in Rede stehenden Beihilfemaßnahmen dazu eignen, den durch außergewöhnliche Ereignisse verursachten Schaden zu beseitigen. Dabei verbiete Art. 107 Abs. 2 Buchst. b AEUV Maßnahmen, die allgemeiner Natur und unabhängig von Schäden sind, die angeblich durch derartige Ereignisse verursacht worden sind. Im Übrigen müsse die Kommission überprüfen, ob sich die Höhe des gewährten Ausgleichs auf das Erforderliche beschränkt.

Begründungsdefizite

Die Kommission habe sich lediglich auf den Hinweis beschränkt, dass es "berechtigt" ist, die im Rahmen der Verlängerung des Insolvenzverfahrens von Condor entstandenen zusätzlichen Kosten zu den geltend gemachten Schäden hinzuzufügen. Sie habe aber nicht hinreichend klar und genau erläutert, aus welchen Gründen sie der Ansicht gewesen ist, dass die Annullierung und die Verschiebung der Flüge von Condor aufgrund der Reisebeschränkungen in der Corona-Pandemie die entscheidende Ursache für diese Kosten sind. Auch enthalte der Kommissionsbeschluss keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass der Verkauf von Condor wegen der Annullierung und der Verschiebung dieser Flüge gescheitert wäre. Ferner gehe aus dem angefochtenen Beschluss hervor, dass das vor Ausbruch der Corona-Pandemie eröffnete Insolvenzverfahren aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten, in denen sich Condor nach der Liquidation ihrer Muttergesellschaft befunden habe, eingeleitet wurde. Schließlich habe die Kommission weder erläutert, wie die durch die Verlängerung des Insolvenzverfahrens verursachten zusätzlichen Kosten bemessen worden seien, noch welcher Art sie gewesen seien. Im Übrigen habe sie unbeantwortet gelassen, ob sämtliche oder nur ein Teil dieser Kosten als unmittelbar durch die Annullierung und die Verschiebung der Flüge von Condor verursacht angesehen wurde.

Wirkungen der Nichtigerklärung ausgesetzt

Das EuG hat die Wirkungen der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses bis zum Erlass eines neuen Beschlusses durch die Kommission ausgesetzt. Denn die unmittelbare Infragestellung der Vereinnahmung der durch die angemeldete Beihilfemaßnahme vorgesehenen Geldbeträge hätte besonders nachteilige Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben Deutschlands, und zwar in einem wirtschaftlichen und sozialen Kontext, der bereits durch die beträchtliche Störung im Wirtschaftsleben aufgrund der Cororna-Pandemie geprägt sei.

EuG, Urteil vom 09.06.2021 - T-665/20

Redaktion beck-aktuell, 9. Juni 2021.