EuG: EU-Par­la­ment muss auf An­trag Zu­gang zu Do­ku­men­ten über lau­fen­de Tri­lo­ge ge­wäh­ren

Das Eu­ro­päi­sche Par­la­ment muss auf einen kon­kre­ten An­trag hin grund­sätz­lich Zu­gang zu den Do­ku­men­ten über die lau­fen­den Tri­lo­ge ge­wäh­ren, also über die drei­sei­ti­gen in­for­mel­len Tref­fen, an denen Ver­tre­ter des Par­la­ments, des Rates und der Kom­mis­si­on teil­neh­men. Die Ar­bei­ten bei die­sen Drei­er­ge­sprä­chen bil­de­ten eine ent­schei­den­de Phase des Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­rens, be­grün­det das Ge­richt der Eu­ro­päi­schen Union seine Ent­schei­dung (Ur­teil vom 22.03.2018, Az.: T-540/15).

Zu­gang zu Tri­log-Do­ku­men­ten des EU-Par­la­ments ver­langt

Im Jahr 2015 be­an­trag­te Emi­lio De Ca­pi­ta­ni beim Eu­ro­päi­schen Par­la­ment die Ge­wäh­rung von Zu­gang zu Do­ku­men­ten, die das Par­la­ment er­stellt hatte oder die ihm zur Ver­fü­gung ge­stellt wor­den waren und die In­for­ma­tio­nen über die von den Or­ga­nen in den lau­fen­den Mit­ent­schei­dungs­ver­fah­ren ver­tre­te­nen Stand­punk­te ent­hiel­ten. Es han­delt sich ins­be­son­de­re um im Rah­men von Tri­lo­gen er­stell­te ta­bel­la­ri­sche Über­sich­ten mit meist vier Spal­ten. Die erste ent­hält den Wort­laut des Le­gis­la­tiv­vor­schlags der Kom­mis­si­on, die zwei­te den Stand­punkt des Par­la­ments und die von ihm vor­ge­schla­ge­nen Än­de­run­gen, die drit­te den Stand­punkt des Rates und die vier­te den vor­läu­fi­gen Kom­pro­miss­text oder den vor­läu­fi­gen Stand­punkt der Rats­prä­si­dent­schaft zu den vom Par­la­ment vor­ge­schla­ge­nen Än­de­run­gen.

Zu­gang zu­nächst nur teil­wei­se ge­währt

Mit Be­schluss vom 08.07.2015 ge­währ­te das Par­la­ment voll­stän­di­gen Zu­gang zu fünf der ins­ge­samt sie­ben mehr­spal­ti­gen ta­bel­la­ri­schen Über­sich­ten, die es an­hand der An­trä­ge hatte iden­ti­fi­zie­ren kön­nen. Hin­sicht­lich der bei­den an­de­ren ge­währ­te das Par­la­ment Ein­sicht nur in die ers­ten drei Spal­ten die­ser Über­sich­ten und wei­ger­te sich somit, die vier­te of­fen­zu­le­gen. Sei­ner Mei­nung nach ent­hielt die vier­te Spal­te die­ser Do­ku­men­te vor­läu­fi­ge Kom­pro­miss­tex­te sowie vor­läu­fi­ge Stand­punk­te der Rats­prä­si­dent­schaft, deren Of­fen­le­gung zu einer tat­säch­li­chen, spe­zi­fi­schen und schwer­wie­gen­den Be­ein­träch­ti­gung sei­nes ei­ge­nen Ent­schei­dungs­pro­zes­ses sowie des in­ter­in­sti­tu­tio­nel­len Ent­schei­dungs­pro­zes­ses im Zu­sam­men­hang mit dem lau­fen­den Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren ge­führt hätte.

EuG be­jaht wegen Wie­der­ho­lungs­ge­fahr Rechts­schutz­in­ter­es­se

De Ca­pi­ta­ni hat beim EuG Klage gegen den Be­schluss des Par­la­ments er­ho­ben, das zwi­schen­zeit­lich, im Jahr 2016, Zu­gang zu den in Rede ste­hen­den Do­ku­men­ten ge­währt hat, indem es sie über das Do­ku­men­ten­re­gis­ter des Par­la­ments der Öf­fent­lich­keit zu­gäng­lich ge­macht hat, da das Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren, auf das sie sich be­zo­gen, tat­säch­lich ab­ge­schlos­sen war. Das EuG er­klär­te zu­nächst, dass De Ca­pi­ta­ni, auch nach­dem die in Rede ste­hen­den Do­ku­men­te der Öf­fent­lich­keit zu­gäng­lich ge­macht wor­den sind, sein Rechts­schutz­in­ter­es­se nicht ver­lo­ren habe, weil sich der gel­tend ge­mach­te Rechts­ver­stoß un­ab­hän­gig von den Um­stän­den der Rechts­sa­che, die zur Kla­ge­er­he­bung ge­führt hat, in Zu­kunft wie­der­ho­len könne.

EU-Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren grund­sätz­lich öf­fent­lich und trans­pa­rent

Was den Zu­gang zur vier­ten Spal­te der ta­bel­la­ri­schen Über­sich­ten zu den die lau­fen­den Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren be­tref­fen­den Tri­lo­gen an­geht, kommt das Ge­richt zu dem Er­geb­nis, dass keine all­ge­mei­ne Ver­mu­tung der Nicht­ver­brei­tung im Hin­blick auf die Natur des Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­rens an­ge­nom­men wer­den kann, da den Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren der Union die Grund­sät­ze der Öf­fent­lich­keit und der Trans­pa­renz in­ne­woh­nen. Die Tri­lo­ge wür­den sehr häu­fig ge­nutzt und seien als we­sent­li­cher Be­stand­teil des Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­rens an­er­kannt, da sie in 70-80% der Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren statt­fän­den. Zudem fän­den die Tri­log-Tref­fen unter Aus­schluss der Öf­fent­lich­keit statt und die dort er­ziel­te Ei­ni­gung, die im Re­gel­fall in der vier­ten Spal­te der ta­bel­la­ri­schen Über­sicht wie­der­ge­ge­ben werde, werde von den Mit­ge­setz­ge­bern an­schlie­ßend – zu­meist ohne sub­stan­zi­el­le Än­de­run­gen – an­ge­nom­men.

Feh­len­de In­for­ma­ti­on und De­bat­te nährt Zwei­fel der Bür­ger

Ge­ra­de die Trans­pa­renz des Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­rens, die er­mög­li­che, dass die un­ter­schied­li­chen Stand­punk­te offen er­ör­tert wer­den, leis­te einen Bei­trag, den Or­ga­nen in den Augen der Uni­ons­bür­ger grö­ße­re Le­gi­ti­mi­tät zu ver­lei­hen und deren Ver­trau­en in diese Or­ga­ne zu stär­ken. Tat­säch­lich seien feh­len­de In­for­ma­ti­on und De­bat­ten eher ge­eig­net, nicht nur hin­sicht­lich ein­zel­ner Rechts­ak­te, son­dern auch hin­sicht­lich der Le­gi­ti­mi­tät des ge­sam­ten Ent­schei­dungs­pro­zes­ses bei den Bür­gern Zwei­fel zu näh­ren. Auf kon­kre­ten und auf die Ver­ord­nung über den Zu­gang der Öf­fent­lich­keit zu den Do­ku­men­ten des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments, des Rates und der Kom­mis­si­on ge­stütz­ten An­trag hin müsse daher ein Zu­gang zu die­sen Do­ku­men­te mög­lich sein, es sei denn, das be­tref­fen­de Organ stel­le fest, dass bei ver­nünf­ti­ger und nicht nur rein hy­po­the­ti­scher Pro­gno­se der um­fas­sen­de Zu­gang zu die­sen Do­ku­men­ten sei­nen Ent­schei­dungs­pro­zess tat­säch­lich kon­kret be­ein­träch­ti­gen könn­te.

Ar­beit im Rah­men der Tri­lo­ge ent­schei­den­de Phase des Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­rens

Im vor­lie­gen­den Fall habe der in Rede ste­hen­de Le­gis­la­tiv­vor­schlag die Rech­te der Bür­ger be­trof­fen und die vier­te Spal­te Ge­sichts­punk­te ent­hal­ten, die der klas­si­schen Ge­setz­ge­bungs­ar­beit zu­zu­rech­nen waren. Die Ar­beit im Rah­men der Tri­lo­ge stel­le eine ent­schei­den­de Phase des Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­rens dar, was vor­aus­set­ze, dass das Recht der Öf­fent­lich­keit auf Ein­blick in die Ar­bei­ten um­fas­send be­rück­sich­tigt und die in der Ver­ord­nung über den Zu­gang der Öf­fent­lich­keit zu den Do­ku­men­ten des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments, des Rates und der Kom­mis­si­on vor­ge­se­he­nen Aus­nah­men strikt an­ge­wandt wer­den.

Kon­kre­ter Ent­schei­dungs­pro­zess war nicht ge­fähr­det

Das Ge­richt er­klärt die Ent­schei­dung, mit der das Par­la­ment den An­trag auf Zu­gang zu den Do­ku­men­ten ab­ge­lehnt hatte, daher für nich­tig. Kei­ner der gel­tend ge­mach­ten Grün­de – für sich ge­nom­men oder in ihrer Ge­samt­heit – be­le­ge, dass der um­fas­sen­de Zu­gang zu den be­tref­fen­den Do­ku­men­ten ge­eig­net ge­we­sen sei, den be­tref­fen­den Ent­schei­dungs­pro­zess im Sinne der vor­ge­nann­ten Be­din­gun­gen zu be­ein­träch­ti­gen.

EuG, Urteil vom 22.03.2018 - T-540/15

Redaktion beck-aktuell, 22. März 2018.

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