EuG: EU-Behörde muss Zugang zu Glyphosat-Risikostudien gewähren

Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) muss Zugang zu bislang nicht veröffentlichten Glyphosat-Risikostudien gewähren. Das Gericht der Europäischen Union hat ablehnende Entscheidungen der Behörde mit Urteil vom 07.03.2019 für nichtig erklärt. Geklagt hatten unter anderem vier EU-Abgeordnete (Az.: T-716/14).

Kläger begehrten Zugang zu Glyphosat-Studien

Vier EU-Abgeordnete und ein belgischer NGO-Berater forderten Zugang zu Glyphosat-Studien, die Grundlage für die Risikobewertung bei der Verlängerung der Zulassung des Unkrautvernichters bis Ende 2015 gewesen waren. Dabei ging es zum einen um zwei Toxizitätsstudien zur Bestimmung der zulässigen täglichen Aufnahme von Glyphosat und zum anderen um bestimmte Teile ("Material, Versuchsbedingungen und Methoden" sowie "Ergebnisse und Analyse") der nicht veröffentlichten Studien über die krebserregende Wirkung von Glyphosat. Die Kläger stützten ihr Begehren auf die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten und die Århus-Verordnung (EG) Nr. 1367/2006. Die EU-Parlamentarier wiesen darauf hin, dass das Internationale Krebsforschungszentrum (CIRC) Glyphosat im März 2015 als potentiell krebserregend einstufte, der Peer-Review der EFSA im November 2015 Glyphosat aber gleichwohl als für den Menschen wahrscheinlich nicht krebserregend bewertete.

EFSA verweigerte Zugang

In beiden Fällen verweigerte die EFSA den Zugang. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, dass die Verbreitung dieser Informationen ernsthaft die geschäftlichen und finanziellen Interessen der Unternehmen beeinträchtigen könnte, die die Studienberichte vorgelegt hätten. Es bestehe auch kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung. Hinsichtlich der geforderten Teile der Studien sei ein solches zu verneinen, weil diese Teile keine Informationen darstellten, die im Sinne der Århus-Verordnung "Emissionen in die Umwelt betreffen". Der Zugang zu diesen Teilen der Studien sei auch nicht erforderlich, um die wissenschaftliche Risikobewertung zu überprüfen.

EuG: Studien enthalten Informationen, die "Emissionen in die Umwelt betreffen"

Das EuG hat den Nichtigkeitsklagen stattgegeben. Es weist zunächst darauf hin, dass der Zugang zu Dokumenten nicht unter Berufung auf den Schutz geschäftlicher Interessen verweigert werden könne, wenn die Dokumente Informationen enthalten, die "Emissionen in die Umwelt betreffen". Es gelte die Vermutung, dass an der Verbreitung von Informationen, die "Emissionen in die Umwelt betreffen" – mit Ausnahme der Untersuchungen betreffenden Informationen – ein öffentliches Interesse besteht, welches das Interesse am Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person überwiegt. Laut EuG handelt es sich bei den Informationen in den angefragten Studien auch um solche, die im Sinne der Århus-Verordnung "Emissionen in die Umwelt betreffen".

Emissionen von Glyphosat real

Das EuG führt aus, dass es dem bestimmungsgemäßen Gebrauch eines in Pflanzenschutzmitteln enthaltenen Wirkstoffs wie Glyphosat entspreche, dass er gerade seiner Wirkung wegen in die Umwelt freigesetzt wird. Seine vorhersehbaren Emissionen könnten daher nicht als rein hypothetisch angesehen werden. Jedenfalls könnten die Emissionen von Glyphosat nicht als nur vorhersehbare Emissionen qualifiziert werden. Denn die angefragten Studien seien Teil der Akte über die Erneuerung der Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat gewesen. Glyphosat sei ab dem 01.07.2002 als Wirkstoff gelistet gewesen. Ab diesem Zeitpunkt sei es in den Mitgliedstaaten zugelassen gewesen und tatsächlich in Pflanzenschutzmitteln zum Einsatz gekommen. Es handle sich um eines der gängigsten Herbizide in der Union. Die Emissionen von Glyphosat in die Umwelt seien daher real. Rückstände davon fänden sich etwa in Pflanzen, im Wasser und in Lebensmitteln. Die angefragten Studien seien daher solche, bei denen es um den Nachweis der krebserregenden Wirkung oder Toxizität eines tatsächlich in der Umwelt vorhandenen Wirkstoffs gehe. Die EFSA könne deshalb nicht geltend machen, dass sich die angefragten Studien weder auf reale Emissionen noch auf die Wirkungen realer Emissionen bezögen.

Begriff erfasst auch Informationen über langfristige Auswirkungen dieser Emissionen

Das EuG weist auch den Einwand der EFSA zurück, dass ein Bezug zu den Emissionen in die Umwelt nicht ausreiche, damit diese Studien von der Århus-Verordnung erfasst würden. Der Begriff der Informationen, die "Emissionen in die Umwelt betreffen", sei nach der Rechtsprechung des EuGH nicht auf Informationen beschränkt, anhand deren sich die Emissionen als solche bewerten lassen. Vielmehr stelle dieser Begriff auch auf Informationen über die Auswirkungen dieser Emissionen ab. Somit müsse die Öffentlichkeit Zugang nicht nur zu den Informationen über die Emissionen als solche haben, sondern auch zu den Informationen über die mehr oder weniger langfristigen Folgen dieser Emissionen für den Zustand der Umwelt wie etwa die Auswirkungen dieser Emissionen auf die nicht zur Zielgruppe gehörenden Organismen. Denn das Interesse der Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen über die Emissionen in die Umwelt bestehe gerade darin, nicht nur zu wissen, was in die Umwelt freigesetzt oder absehbar freigesetzt werden wird, sondern auch zu verstehen, in welcher Weise die Umwelt durch die fraglichen Emissionen beeinträchtigt werden kann. Der Begriff der Informationen, die "Emissionen in die Umwelt betreffen", sei deshalb dahin auszulegen, dass er nicht nur die Informationen über Emissionen als solche erfasst, sondern auch die Daten über die mehr oder weniger langfristigen Auswirkungen dieser Emissionen auf die Umwelt.

EuG, Urteil vom 07.03.2019 - T-716/14

Redaktion beck-aktuell, 7. März 2019.

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