Kommission billigte Rettungsbeihilfen für Condor nach Thomas-Cook-Pleite
Die Fluggesellschaft Condor beantragte im Herbst 2019 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aufgrund der Liquidation der Thomas Cook Gruppe, die 100% der Anteile an ihr hielt. Die Bundesrepublik Deutschland meldete bei der EU-Kommission am selben Tag eine auf sechs Monate begrenzte Rettungsbeihilfe für Condor an. Die Kommission genehmigte die Beihilfe im Oktober 2019. Ein förmliches Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV hatte sie nicht eingeleitet. Der Billigflieger Ryanair erhob gegen den Kommissionsbeschluss Nichtigkeitsklage.
EuG: Kommission musste kein förmliches Prüfverfahren einleiten
Das EuG hat die Klage abgewiesen. Die Kommission habe keinen Rechtsfehler begangen, indem sie kein förmliches Prüfverfahren einleitete. Zwar sei die Kommission verpflichtet, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten, wenn Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit einer angemeldeten Beihilfe mit dem Binnenmarkt bestehen. Dies habe Ryanair aber nicht dargetan. Laut EuG ist Rn. 22 der "Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung nichtfinanzieller Unternehmen in Schwierigkeiten" dahin auszulegen, dass Schwierigkeiten eines einer Unternehmensgruppe angehörenden Unternehmens als ihm spezifische Schwierigkeiten anzusehen sind, wenn sie nicht auf eine willkürliche Kostenverteilung innerhalb dieser Gruppe zurückzuführen sind. Ryanair habe die Schlussfolgerungen der Kommission nicht widerlegt, dass die Schwierigkeiten von Condor hauptsächlich auf die Liquidation der Thomas Cook Gruppe und nicht auf eine willkürliche Kostenverteilung innerhalb der Gruppe zurückzuführen seien.
Keine andere Beurteilung wegen Systems der Liquiditätsbündelung
Etwas ergebe sich auch nicht daraus, dass die Schwierigkeiten von Condor im Zusammenhang mit dem System der Liquiditätsbündelung in der Thomas Cook Gruppe stünden. Die Liquiditätsbündelung innerhalb einer Gruppe sei eine gängige und verbreitete Praxis, die die Finanzierung der Unternehmensgruppe dadurch erleichtern solle, dass den Gesellschaften dieser Gruppe Einsparungen bei Finanzierungskosten ermöglicht werden. Außerdem sei dieses System der Liquiditätsbündelung im vorliegenden Fall von der Thomas Cook Gruppe bereits vor mehreren Jahren eingeführt worden, und deren Schwierigkeiten seien nicht auf dieses System zurückzuführen gewesen. Mangels konkreter Anhaltspunkte für die Feststellung der Willkürlichkeit des Systems der Liquiditätsbündelung der Thomas Cook Gruppe sei die Kommission nicht verpflichtet gewesen, aus eigener Initiative Erhebungen zur Fairness dieses Systems anzustellen. Weiter habe der Klägerin auch nicht dargetan, dass Bedenken bestanden hätten hinsichtlich der Voraussetzung der Schwere der Schwierigkeiten von Condor.
Condor erbrachte wichtigen Dienst
Die Kommission habe auch zu Recht festgestellt, dass die Gefahr einer Unterbrechung der Erbringung eines wichtigen Dienstes gegeben war, der nur schwer zu ersetzen gewesen sei, sodass der Marktaustritt von Condor zu schwerem Marktversagen hätte führen können. Für die Einstufung eines Dienstes als "wichtig" sei es weder erforderlich, dass das erbringende Unternehmen eine wichtige systemrelevante Rolle für die Wirtschaft eines Gebiets des betreffenden Mitgliedstaats spielt, noch, dass es mit der Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse oder einer Dienstleistung von Bedeutung auf nationaler Ebene betraut ist. Hier hätte eine sofortige Rückholung von 200.000 bis 300.000 Condor-Fluggästen aus 50 bis 150 verschiedenen Zielorten nicht kurzfristig von anderen miteinander im Wettbewerb stehenden Luftfahrtunternehmen übernommen werden können, sodass die Feststellung der Kommission zutreffend sei.