Voraussetzung für Schutz: Neuheit und Eigenart des Geschmacksmusters
Die Verordnung (EG) Nr. 6/2002 sieht den Schutz eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters vor, soweit es neu ist und Eigenart hat. Ein Geschmacksmuster gilt unter anderem dann nicht als neu, wenn es vor den zwölf Monaten, die dem in Anspruch genommenen Prioritätstag vorausgehen, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde (Art. 7 Abs. 2b VO (EG) Nr. 6/2002), es sei denn, dass dies den in der Europäischen Union tätigen Fachkreisen nicht bekannt sein konnte (Art. 7 Abs. 1 VO (EG) Nr. 6/2002).
Geschmacksmuster am 08.02.2005 eingetragen
Am 22.11.2004 meldete die Western Brands LLC beim EUIPO das "Crocs"-Geschmacksmuster als Gemeinschaftsgeschmacksmuster für Schuhe an und nahm die Priorität einer am 28.05.2004 in den Vereinigten Staaten von Amerika eingereichten Patentanmeldung in Anspruch. Das Geschmacksmuster wurde am 08.02.2005 als Gemeinschaftsgeschmackmuster eingetragen. Am 03.11.2005 wurde das Gemeinschaftsgeschmackmuster auf das Unternehmen Crocs übertragen.
Französische Unternehmen begehrt Nichtigerklärung wegen fehlender Neuheit
Im Jahr 2013 reichte das französische Unternehmen Gifi Diffusion beim EUIPO einen Antrag auf Nichtigerklärung des Geschmacksmusters ein, weil es ihm an Neuheit fehle. Gifi trägt vor, das Geschmacksmuster sei der Öffentlichkeit vor dem 28.05.2003, das heißt vor dem Zeitraum von zwölf Monaten vor dem in Anspruch genommenen Prioritätstag (also dem Zeitpunkt der Einreichung einer Patentanmeldung in den Vereinigten Staaten von Amerika) zugänglich gemacht worden.
EUIPO erklärt Geschmacksmuster für nichtig: Schuhe konnten bereits erworben werden
Mit Entscheidung vom 06.06.2016 erklärte das EUIPO das Geschmacksmuster mit der Begründung für nichtig, dass es vor dem 28.05.2003 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei und es ihm daher an Neuheit fehle. Nach Ansicht des EUIPO war die Offenbarung erstens mit der Präsentation auf der Website von Crocs, zweitens mit einer Präsentation anlässlich einer Nautikmesse in Fort Lauderale in Florida (USA) und drittens damit erfolgt, dass die nach dem Geschmacksmuster gestalteten Schuhe hätten erworben werden können.
Crocs klagt gegen Nichtigerklärung
Crocs wandte sich mit einer Klage beim EuG gegen diese Entscheidung. Das Unternehmen stützt sich insbesondere darauf, dass die Offenbarung im Internet Handlungen betreffe, die den in der Union tätigen Fachkreisen des betroffenen Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht hätten bekannt sein können.
EuG: Crocs bestreitet Offenbarungshandlungen nicht
Das EuG hat die Klage von Crocs abgewiesen und die Entscheidung des EUIPO bestätigt. Es weist in Bezug auf die Frage, ob das Geschmacksmuster vor dem 28.05.2003 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, darauf hin, dass Crocs nicht bestritten hat, dass die drei vom EUIPO festgestellten Offenbarungshandlungen tatsächlich stattgefunden haben.
Offenbarungshandlungen müssen nicht unbedingt in EU-Gebiet erfolgen
In diesem Zusammenhang stellt das Gericht fest, dass die Handlungen, die eine Offenbarung darstellen, nicht unbedingt im Unionsgebiet erfolgt sein müssen. Damit sei das EUIPO rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass zumindest durch diese drei Offenbarungshandlungen zusammen das streitige Geschmacksmuster der Öffentlichkeit vor dem 28.05.2003 zugänglich gemacht worden ist.
Fehlende Kenntnis der Fachkreise in der EU von Offenbarungshandlungen nicht nachgewiesen
Zudem hat Crocs nach Ansicht des Gerichts nicht nachgewiesen, dass die drei vom EUIPO festgestellten Offenbarungshandlungen den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs (das heißt den Fachkreisen für Schuhverkauf und -erzeugung) im normalen Geschäftsverlauf nicht hätten bekannt sein können. Das EuG führt insbesondere aus, dass Crocs weder rechtlich hinreichend nachgewiesen habe, dass ihre Website von Schuherzeugern, die außerhalb der USA tätig sind, nicht habe gefunden werden können, noch dass diese Fachkreise von der Nautikmesse in Fort Lauderdale keine Kenntnis gehabt hätten, in Anbetracht des internationalen Charakters und des großen Erfolgs, den die Präsentation der betreffenden Schuhe dort verzeichnete.
Unkenntnis auch wegen Vermarktung der Schuhe in USA unwahrscheinlich
Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass die Schuhe damals in einer großen Anzahl amerikanischer Bundesstaaten vermarktet wurden und es somit in Anbetracht der Wichtigkeit der Geschäftstrends auf dem amerikanischen Markt für den Unionsmarkt wenig wahrscheinlich ist, dass diese Vermarktung den in der Union tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs nicht aufgefallen wäre.