Absprachen über Preisfestsetzung für Derivate
Die Europäische Kommission verhängte mit Beschluss vom 07.12.2016, der bisher nicht veröffentlicht wurde, Geldbußen in Höhe von 485 Millionen Euro gegen Crédit agricole, JPMorgan Chase und eine andere Bank wegen Beteiligung an einem Kartell, das Euro-Zinsderivate (Euribor) betraf. Die Banken hätten Absprachen über Faktoren der Preisfestsetzung für die Derivate getroffen und sensible Informationen ausgetauscht und damit gegen die Unionsvorschriften über wettbewerbswidrige Handlungen verstoßen. Crédit agricole und JPMorgan Chase fochten diesen Beschluss beim Gericht der Europäischen Union an. Dieses Verfahren läuft noch (Az.: T-113/17 und T-106/17).
Streit um Schilderung der Zuwiderhandlung
Daneben traten Crédit agricole und JPMorgan Chase mit der Kommission in Erörterungen über die Veröffentlichung dieses Beschlusses ein, um zu klären, welche vertraulichen Informationen nicht in dem veröffentlichten Beschluss erscheinen sollten. Crédit agricole machte unter anderem geltend, dass die Kommission die gesamte Schilderung ihrer Zuwiderhandlung unkenntlich machen müsse, bis der Unionsrichter über ihre Klage in der Rechtssache T-113/17 entschieden habe. Auch JPMorgan Chase war der Ansicht, dass eine Veröffentlichung des Beschlusses unzulässig sei, bis der Unionsrichter über ihre Klage in der Rechtssache T-106/17 befunden habe. Mit Beschlüssen vom 27.04.2018 lehnte die Kommission die Anträge auf vertrauliche Behandlung im Wesentlichen ab.
Nichtigkeitsklagen beim Gericht
Crédit agricole und JPMorgan Chase haben gegen diese Beschlüsse Nichtigkeitsklagen beim Gericht erhoben (Rechtssachen T-419/18 und T-420/18) und gleichzeitig beantragt, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Vollstreckung dieser Beschlüsse auszusetzen und im Wesentlichen den Beschluss der Kommission, mit dem das Kartell festgestellt wird, bis zum Abschluss des Verfahrens der Nichtigkeitsklage gegen diesen Beschluss nicht zu veröffentlichen.
Behauptung der Vertraulichkeit allein nicht ausreichend
Der Präsident des EuG wies jetzt die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz zurück. Einstweilige Anordnungen könnten nur erlassen werden, wenn das Vorbringen der Antragsteller nicht als einer ernsthaften Grundlage entbehrend erscheint. Beim vorläufigen Schutz vertraulicher Informationen genüge es nicht, zu behaupten, dass diese Informationen vertraulich seien. Vielmehr sei festzustellen, ob dem ersten Anschein nach davon ausgegangen werden könne, dass die Informationen tatsächlich vertraulich sind.
Interessenausgleich erforderlich
Sodann stellte der EuG-Präsident fest, dass das Interesse eines Unternehmens, gegen das die Kommission eine Geldbuße wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht verhängt hat, daran, dass die Einzelheiten der ihm zur Last gelegten Zuwiderhandlung der Öffentlichkeit nicht preisgegeben werden, angesichts des Interesses der Öffentlichkeit, möglichst umfassende Kenntnis von den Gründen jedes Handelns der Kommission zu erhalten, keinen besonderen Schutz verdiene. Darüber hinaus sei die Notwendigkeit, einen Beschluss, mit dem eine Zuwiderhandlung festgestellt wird, zu veröffentlichen, um den durch diese Zuwiderhandlung Geschädigten Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihnen ermöglichen, eine Entschädigung zu erwirken, mit der Notwendigkeit, das Berufs- oder Geschäftsgeheimnis zu wahren, in Ausgleich zu bringen.
Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen
Der Präsident des Gerichts hob in seinen Entscheidungen hervor, dass das Vorbringen der Antragsteller, der Grundsatz der Unschuldsvermutung stehe jeglicher Veröffentlichung des Beschlusses, mit dem die Zuwiderhandlung festgestellt werde, entgegen oder verlange die Unkenntlichmachung der gesamten Schilderung der Zuwiderhandlung, dem ersten Anschein nach keinen Erfolg haben könne. Die Handlungen der Unionsorgane würden nämlich eine Vermutung der Rechtmäßigkeit genießen und Rechtswirkungen erzeugen, solange sie nicht widerrufen, aufgehoben oder für ungültig erklärt wurden. Somit stellte der Präsident des Gerichts fest, dass die Anträge der Banken auf vertrauliche Behandlung dem ersten Anschein nach unbegründet sind, und wies die Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz daher zurück. Das Gericht wird sein Endurteil in dieser Sache zu einem späteren Zeitpunkt verkünden.