Agrofert-Klage auf Zugang zu Dokumenten gescheitert

Die tschechische Agrofert Holding ist mit einer Nichtigkeitsklage gegen die Weigerung des Europäischen Parlaments, Zugang zu zwei Dokumenten zu gewähren, beim Gericht der Europäischen Union gescheitert. Es ging um Dokumente im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen den ehemaligen tschechischen Ministerpräsidenten Andrej Babiš wegen missbräuchlicher Verwendung von EU-Mitteln und potentieller Interessenkonflikte.

Agrofert begehrte Zugang zu Dokumenten im Zusammenhang mit Untersuchungen gegen Babiš

Im Juni 2020 bekräftigte das Europäische Parlament in einer Entschließung zur Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen den damaligen Ministerpräsidenten der Tschechischen Republik Andrej Babiš wegen missbräuchlicher Verwendung von EU-Mitteln und potentieller Interessenkonflikte erneut, dass dieser nach seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten – trotz Übertragung seiner Anteile an zwei Treuhandfonds – weiterhin den von ihm gegründeten Agrofert-Konzern kontrolliere. Agrofert wollte wissen, welche Quellen und Informationen dem Parlament zur Verfügung gestanden hatten, bevor das EU-Parlament die Entschließung annahm, und begehrte daher unter anderem Zugang zu einem Schreiben der Kommission an Babiš und einem Prüfbericht der Kommission. Das EU-Parlament verweigerte den Zugang zu diesen beiden Dokumenten.

EuG: Rechtsschutzinteresse hinsichtlich Prüfbericht entfallen

Die Klage hatte keinen Erfolg. Soweit es um den Prüfbericht der Kommission gehe, sei für die Klage das Rechtsschutzinteresse entfallen, da der Prüfbericht im April 2021 veröffentlicht worden sei. Dass die Kommission nicht die vollständige Fassung des Prüfberichts veröffentlicht habe, ändere am Wegfall des Rechtsschutzinteresses nichts. Mit der Klage könne Agrofert keinen Zugang zum kompletten Bericht erlangen. Die Kommission habe die Zurückhaltung bestimmter Daten mit dem Schutz bestimmter Informationen wie etwa persönlicher Daten oder Geschäftsgeheimnisse begründet. Deshalb würden die Daten auch im Fall einer Nichtigerklärung nicht öffentlich gemacht. Denn das Parlament sei nicht Urheber des Berichts und könne mithin keine weitergehende als die von der Kommission gewährte Verbreitung vornehmen.

Zugang zu Kommissionsschreiben durfte verweigert werden

Soweit es um den Zugang zum Schreiben der Kommission gehe, sei die Klage unbegründet. Das EU-Parlament habe sich für die Verweigerung auf den Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten stützen können. Dieser Schutz erschöpfe sich weder in der Annahme des Berichts noch in der des Folgeschreibens, mit dem die Kommission die in dem Bericht formulierten Empfehlungen weiterverfolge. In beiden Fällen eröffneten sich Phasen des Austauschs mit dem Mitgliedstaat, und zwar eine in Bezug auf die anfänglichen Empfehlungen und eine weitere in Bezug auf die offenbleibenden, die Bestandteil der Untersuchungstätigkeiten seien, die von dieser Ausnahmeregelung erfasst werden.

Mögliche Beeinflussung des Ziels der Untersuchungstätigkeiten ausreichend nachgewiesen

Das EU-Parlament habe auch nachgewiesen, dass die Verbreitung des Schreibens der Kommission die Untersuchung beeinträchtigen könne. Um die Verbindung zwischen dem Schreiben der Kommission und der fraglichen Untersuchung nachzuweisen, habe das Parlament zum einen lediglich aufzeigen müssen, dass dieses Schreiben zu den Dokumenten gehörte, die sich auf die Tätigkeiten der laufenden Untersuchung bezogen. Zum anderen sei die Begründung des Parlaments für eine mögliche Beeinflussung des Ziels der Prüftätigkeiten durch eine Verbreitung des Schreibens der Kommission ausreichend, zumal es, weil der tschechische Ministerpräsident direkt betroffen gewesen sei, wichtig war, die Vertraulichkeit des Austausches zwischen ihm und der Kommission zu wahren. Agrofert habe schließlich auch nicht dargetan, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht, das die Verbreitung des Schreibens der Kommission rechtfertige.

EuG, Urteil vom 28.09.2022 - T-174/21

Redaktion beck-aktuell, 28. September 2022.