Größter Schaden terroristischer Inhalte in den ersten Stunden
"Bilder von den Anschlägen in Paris, Halle oder Christchurch machen deutlich, dass die Terrorismusbekämpfung sowohl online als auch offline stattfinden muss", erklärt EU-Vizepräsident Margaritis Schinas. Der größte Schaden durch terroristische Inhalte entstehe in den ersten Stunden nach ihrem Auftauchen. Sie müssten unverzüglich entfernt werden, um Terroristen daran zu hindern, das Internet zur Personenanwerbung, Anschlagsaufrufen, Trainingsangeboten oder zur Verherrlichung ihrer Taten zu nutzen. Ylva Johansson, EU-Kommissarin für Inneres, warnt vor der Nachahmungsgefahr, die von den terrorristischten Inhalten ausgehe. Sowohl der live gestreamte Terroranschlag in Christchurch im Jahr 2019 als auch der Anschlag zuletzt in Buffalo im vergangenen Monat, hätten laut EU-Kommission als direkte Inspiration und Motivation für eine Reihe von Nachahmer-Angriffen gediente. Insofern sei klar, so Johansson, dass die Arbeit zur Entfernung terroristischer Online-Inhalte von entscheidender Bedeutung ist.
Unverzügliche Entfernung entscheidend
Online-Plattformen sind künftig dazu verpflichtet, diverse "Maßnahmen zu ergreifen", wenn sie mit terroristischen Inhalten konfrontiert sind. Nach der sogenannten "Eine-Stunde-Regel" müssen sie insbesondere terroristische Inhalte innerhalb einer Stunde nach Erhalt einer Entfernungsanordnung seitens der Behörden der Mitgliedstaaten zu entfernen. Die Entfernungsanordnungen muss sowohl eine Begründung dafür enthalten, warum Material als terroristischer Inhalt gilt, als auch detaillierte Informationen darüber, wie rechtlich gegen eine Entfernungsanordnung vorgegangen werden kann. Des weiteren enthalten die Vorschriften strenge Garantien, um die uneingeschränkte Achtung der Grundrechte, wie das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Information, zu gewährleisten. Ausgenommen sind laut Kommission beispielsweise Materialien, die zu Bildungs-, Journalismus-, Kunst- oder Forschungszwecken verbreitet werden.
Sanktion durch Mitgliedstaaten möglich
Ferner können die Mitgliedstaaten Verstöße sanktionieren und über die Höhe der Sanktionen entscheiden, die in einem angemessenen Verhältnis zur Art des Verstoßes stehen müssen. Mit den neuen Vorschriften werden auch "Transparenzpflichten" für Online-Plattformen und die nationalen Behörden festgelegt, die jährlich über die Menge der entfernten terroristischen Inhalte, die Ergebnisse von Beschwerden und Rechtsmitteln sowie die Anzahl und Art der gegen Online-Plattformen verhängten Sanktionen Bericht erstatten müssen. Die neuen Vorschriften sehen zudem eine Vielzahl von strengen Vorkehrungen zum Schutz vor einer irrtümlichen Entfernung rechtmäßiger Online-Inhalte vor. Ebenso wichtig ist laut Kommission der Schutz der Opfer und ihrer Familien, die Gefahr laufen, im Internet erneut mit diesen Straftaten konfrontiert zu werden.
EU-Strategie für die Sicherheitsunion
Angesichts der anhaltenden Präsenz terroristischer Inhalte im Internet hatte die Kommission bereits im Jahr 2018 eine Verordnung zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte vorgeschlagen. Im Juli 2020 hatte die Kommission die Strategie für die Sicherheitsunion für den Zeitraum 2020 bis 2025 vorgestellt. Im Dezember 2020 wurde die Agenda zur Terrorismusbekämpfung angenommen, in der der Schwerpunkt auf der Prävention von Radikalisierung on- und offline liegt und die Annahme der vorliegenden Verordnung als eine der wichtigsten Maßnahmen vorgesehen ist. Seit Inkrafttreten der Verordnung am 07.06.2021 hat die Kommission Workshops für die Mitgliedstaaten und Anbieter von Hostingdiensten veranstaltet, um die Anwendung der Verordnung vorzubereiten. Europol hat ferner eine EU-Plattform zur Bekämpfung illegaler Online-Inhalte ("PERCI") entwickelt, um die Umsetzung der Verordnung zu unterstützen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass Anbieter von Hostingdiensten über einen gemeinsamen sicheren Kanal Entfernungsanordnungen von den Mitgliedstaaten erhalten können.