Mitten in der Hauptsaison haben am Freitag in Italien zahlreiche Strandbäder erst mit Verspätung geöffnet. An Adria und Mittelmeer protestierten die Pächter mit einem zweistündigen Streik gegen eine EU-Richtlinie, nach der die staatlichen Konzessionen für den Betrieb der "stabilimenti balneari" regelmäßig neu ausgeschrieben werden müssen. Die Betreiber fürchten unliebsame Konkurrenz auch aus dem Ausland.
Kurz vor "Ferragosto" am 15. August, dem Höhepunkt der Sommersaison in Italien, kocht die Seele an den Stränden hoch. Die umstrittene EU-Richtlinie hätte eigentlich schon seit 2006 umgesetzt werden müssen. Die Strände gehören dem Staat, aber mehr als die Hälfte der Strände ist an Privatleute verpachtet, oft schon seit Jahrzehnten und oft zu Spottpreisen.
Ein Kritikpunkt lautet, dass die Konzessionen mit durchschnittlich 8.200 Euro pro Jahr viel zu billig vergeben werden, und die Branche so riesige Profite einstreicht. Das Centrum für Europäische Politik (CEP) ermittelte zuletzt einen Jahresumsatz von durchschnittlich 260.000 Euro pro Bad. Andere Schätzungen reichen weit darüber hinaus - zumal vermutlich einiges von dem Strandgeld an der Steuer vorbeigeschleust wird. Die Zeitung "Corriere della Sera" schätzt den Jahresumsatz der gesamten Branche auf bis zu 30 Milliarden Euro.
Nach der EU-Richtlinie, die jetzt Anlass für den Streik war, müssen die staatlichen Konzessionen für Strandabschnitte regelmäßig neu ausgeschrieben werden, weil es sich um öffentlichen Grund handelt - was von den verschiedensten Regierungen in Rom jedoch immer wieder hinausgeschoben wurde. Eines der Argumente: Man müsse verhindern, dass künftig am Strand statt italienischer Familien ausländische Konzerne das Sagen haben - wie zum Beispiel im Golf von Triest, wo sich vor zwei Jahren der Energy-Drink-Multi Red Bull den Zuschlag für 120.000 Quadratmeter sicherte. Im Januar 2025 soll jetzt aber doch landesweit mit Ausschreibungen begonnen werden.
Nicht überall bleiben die Sonnenschirme geschlossen
Zu den größten Kritikern der EU-Richtlinie gehörte, als sie noch in der Opposition saß, die heutige Ministerpräsidentin Georgia Meloni. Umso tiefer ist bei den Strandbad-Betreibern jetzt die Enttäuschung. Der Präsident des Branchenverbandes Sindacato Italiano Balneari, Antonio Capacchione, klagt: "Die Regierung hat seit zwei Jahren überhaupt nichts unternommen. Wir haben acht Briefe mit der Bitte um ein Treffen geschickt - ohne Antwort. Was außer Streik können wir sonst noch unternehmen?" Deshalb nun also der erste "sciopero degli ombrelloni" ("Streik der Sonnenschirme") in Italiens Geschichte.
Nicht überall entlang der 7.500 Kilometer langen Küsten Italiens wurde der Streikaufruf allerdings gleichermaßen befolgt. In Ligurien rund um die nordwestliche Hafenstadt Genua hätten sich 90% der Strandbäder am "Sonnenschirm-Protest" beteiligt, meldete die Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf die Betreiber. Weiter südlich an den Toskana-Stränden von Versilia sei nur jedes vierte Strandbad dabei gewesen, hieß es.
Rund um die sizilianische Hauptstadt Palermo waren alle Sonnenschirme laut Ansa schon am Morgen geöffnet. Anderswo auf der größten Mittelmeerinsel ähnele die Lage einem "Flickenteppich", hieß es.
Am Strand von Fiumicino bei Rom informierten die Pächter mit einem Flashmob per Lautsprecher die Badegäste über ihre Anliegen. Capacchione, sprach in einer Gesamtbilanz von einer "massiven Beteiligung in ganz Italien", der Konsumentenschutzverband Codacons hingegen bezeichnete den Streik als "Flop".