EU-Pläne gegen Kindesmissbrauch nach Studie kaum wirksam

Die Pläne der EU-Kommission im Kampf gegen Bilder missbrauchter Kinder im Internet sind laut einer Studie des Wissenschaftlichen Dienstes im Europaparlament wenig wirksam und verletzen die Grundrechte von Internetnutzern. Die Anzahl gemeldeter Fälle dürfte zwar deutlich nach oben gehen, die Genauigkeit der Treffer und die Belastung der Ermittlungsbehörden dürften dadurch jedoch deutlich abnehmen, heißt es in der Bewertung.

Kritik von Bürgerrechtsorganisationen und Datenschützern

Hintergrund der Studie ist ein Vorschlag von EU-Innenkommissarin Ylva Johansson vom Mai 2022, mit dem sie die stark zugenommene Verbreitung von Kinderpornografie eindämmen will. Bürgerrechtsorganisationen und Datenschützer nutzen dafür das Schlagwort "Chatkontrolle". Sie sehen darin einen Versuch, die Kommunikation im Netz inklusive verschlüsselter Nachrichten zu scannen und äußern schwerwiegende Bedenken mit Blick auf die Privatsphäre und die personenbezogenen Daten Einzelner. Auch aus der Bundesregierung kommt Widerstand gegen den Vorschlag. Kritisiert wird vor allem, dass die Pläne nicht nur vorsehen, bereits bekannte Darstellungen aufzuspüren, die über Online-Messenger verschickt werden. Zusätzlich umfassten sie auch das Aufspüren neuer Abbildungen sowie des sogenannten Groomings, bei dem Erwachsene mit Missbrauchsabsicht Kontakt zu Minderjährigen suchen.

EU-Innenkommissarin Johansson verweist auf geplante Schutzmaßnahmen

Johansson verteidigt ihren Vorschlag bislang vor allem mit Verweis auf geplante Schutzmaßnahmen. Zunächst einmal müssten alle Unternehmen analysieren, wie groß das Risiko sei, dass auf ihren Seiten Kinderpornografie geteilt werde. Gegebenenfalls müssten sie dann Gegenmaßnahmen ergreifen. Falls dies nicht ausreiche, könne ein Gericht oder eine andere Behörde das Scannen der Inhalte anordnen.

Geplante Schutzmaßnahmen nach Studie unzureichend

Der Wissenschaftliche Dienst des Europaparlaments widerspricht der Schwedin in seiner 140-seitigen Untersuchung, die der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel vorliegt, und die am 13.04.2023 im Innenausschuss des Parlaments präsentiert werden soll. Es wird zwar mehrfach betont, dass die Notwendigkeit, Kinder vor Missbrauch zu schützen, unbestritten sei. Die Einschätzung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fällt aber deutlich aus: "Es kann der Schluss gezogen werden, dass die Gesamtwirksamkeit der vorgeschlagenen Rechtsvorschriften begrenzt sein dürfte." Die vorgeschlagenen Schutzmaßnahmen seien unzureichend. Ein Grund sei unter anderem, dass die Technologien zur Erkennung neuer Inhalte sowie von Grooming unpräzise seien. Die Mehrheit der befragten Expertinnen und Experten geht davon aus, dass dies zu einer Zunahme der gemeldeten Inhalte und einer Abnahme der Genauigkeit führen wird. Dies werde sich erheblich auf die Belastung der Ermittlungsbehörden auswirken. Zudem wird darauf verwiesen, dass einige Täter auf das Darknet ausweichen würden.

Verstoß gegen Verbot der pauschalen Vorratsdatenspeicherung

Die Erhebung betont, dass der Vorschlag unter anderem gegen das Verbot der pauschalen Vorratsdatenspeicherung verstoßen würde. Dieser Verstoß gegen die EU-Grundrechtecharta könne nicht gerechtfertigt werden. Verschlüsselte Kommunikation werde durch die Pläne grundsätzlich in Frage gestellt. "Nur selten legen Expertisen des Europäischen Parlaments ein so vernichtendes Urteil zu Gesetzesvorhaben der EU-Kommission vor", sagte der FDP-Abgeordnete Moritz Körner der dpa. "Die EU-Kommission wäre richtig beraten, ihren Vorschlag sofort zurückzuziehen." Die geplante Einrichtung eines EU-Zentrums im Kampf gegen Kindesmissbrauch bewerten die Autorinnen und Autoren der Erhebung dagegen grundsätzlich positiv.

Verständigung auf Gesetzesvorschlag steht noch aus

Bislang haben sich weder das Parlament noch die EU-Staaten auf eine Haltung zu dem Gesetzesvorschlag verständigt. Sobald beide Seiten sich positioniert haben, müssen sie miteinander verhandeln. Endlos Zeit haben sie nicht. Am 03.08.2024 läuft eine Übergangsregelung aus. Danach dürfen die Plattformen die Nachrichten ihrer Nutzer scannen – allerdings nur auf bereits bekanntes Material, nicht auf neue Darstellungen oder Grooming.

Redaktion beck-aktuell, 13. April 2023 (dpa).