EU-Ministerrat beschließt EU-Urheberrechtsreform

Der EU-Ministerrat hat am 15.04.2019 der EU-Richtlinie über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte im Digitalen Binnenmarkt zugestimmt. Die EU-Urheberrechtsreform ist damit nun beschlossen. Die Mitgliedstaaten haben 24 Monate Zeit, um die neuen Regeln in ihr nationales Recht umzusetzen. Die Bundesregierung erläuterte in einer Protokoll-Erklärung, wie sie mit den neuen Regelungen umzugehen gedenkt.

Auch Bundesrepublik hat zugestimmt

Die Bundesrepublik Deutschland hat zu ihrer Zustimmung eine Erklärung abgegeben. Danach stimmte sie dem Richtlinienvorschlag in der Fassung des Trilog-Kompromisses vom 13.02.2019 zu, weil die Reform insgesamt dringend nötige Anpassungen des nicht mehr zeitgemäßen europäischen Rechtsrahmens mit sich bringe, etwa die Regelungen zum Text und Data Mining, zu den vergriffenen Werken oder zum Vertragsrecht für Künstler.

Kritik an Upload-Filtern

Die Bundesregierung bedauert aber, dass es nicht gelungen ist, ein Konzept zur urheberrechtlichen Verantwortlichkeit von Upload-Plattformen zu verabreden, das in der Breite alle Seiten überzeugt. Es bestehe zwar weithin Übereinstimmung, dass Kreative an der Verwertung ihrer Inhalte durch Upload-Plattformen beteiligt werden sollen. Insbesondere die in Artikel 17 der Richtlinie vorgesehene Pflicht, auf Dauer ein "stay down" geschützter Inhalte zu gewährleisten, stoße aber mit Blick auf die voraussichtlich dabei auch zur Anwendung kommenden algorithmenbasierten Lösungen ("Upload-Filter") auf ernsthafte Bedenken und in der deutschen Öffentlichkeit auf breite Kritik.

Regierung will Upload-Filter nach Möglichkeit verhindern

Nach Art. 17 Abs. 10 der Richtlinie sei die Europäische Kommission verpflichtet, einen Dialog mit allen betroffenen Interessengruppen zu führen, um Leitlinien zur Anwendung des Art. 17 zu entwickeln. Die Vorschrift fordere ausdrücklich, die Ausgewogenheit zwischen den Grundrechten sowie die Möglichkeit zu wahren, geschützte Inhalte im Rahmen gesetzlicher Erlaubnisse auf Upload-Plattformen zu nutzen. Die Bundesregierung gehe deshalb davon aus, dass dieser Dialog vom Geist getragen ist, eine angemessene Vergütung der Kreativen zu gewährleisten, "Upload-Filter" nach Möglichkeit zu verhindern, die Meinungsfreiheit sicherzustellen und die Nutzerrechte zu wahren. Die Bundesregierung geht davon aus, dass in diesem Dialog eine unionsweit einheitliche Umsetzung vereinbart wird. Eine fragmentarische Umsetzung in 27 nationalen Varianten wäre in ihren Augen mit den Prinzipien eines Europäischen Digitalen Binnenmarkts nicht zu vereinbaren.

De-facto-Copyright-Register marktmächtiger Plattformen entgegenzuwirken

Soweit hierbei überhaupt technische Lösungen zum Einsatz kommen, müssten die datenschutzrechtlichen Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung beachtet werden und die Europäische Union sollte die Entwicklung von Open-Source-Technologien mit offenen Schnittstellen (APIs) fördern, meint die Bundesregierung. Quelloffene Software garantiere Transparenz, offene Schnittstellen Interoperabilität und Standardisierung. So könne verhindert werden, dass marktmächtige Plattformen mittels ihrer etablierten Filtertechnologie ihre Marktmacht weiter festigen. Zugleich müsse die EU Konzepte entwickeln, die einem de-facto-Copyright-Register in der Hand marktmächtiger Plattformen durch öffentliche, transparente Meldeverfahren entgegenwirkt.

Regeln sollen nicht für alle Plattformen gelten

Zunächst würden die Vorgaben von Art. 2 Abs. 6 der Richtlinie aufgegriffen und klargestellt werden müssen: Denn die Regelungen zielten lediglich auf die marktmächtigen Plattformen, die große Massen von urheberrechtlich geschützten Uploads zugänglich machen und hierauf ihr kommerzielles Geschäftsmodell gründen, also auf Dienste wie beispielsweise YouTube oder Facebook. Zugleich will die Bundesregierung klarstellen, dass Dienste wie Wikipedia, Hochschul-Repositorien, Blogs und Foren, Software-Plattformen wie Github, Special-Interest-Angebote ohne Bezüge zur Kreativwirtschaft, Messengerdienste wie WhatsApp, Verkaufsportale oder Cloud-Dienste nicht zu Plattformen im Sinne des Art. 17 gehören. Die Ausnahme für Startups "setzen wir hierzu ergänzend um", heißt es in der Erklärung weiter.

Upload-Plattformen müssen als freie, unzensierte Kommunikationskanäle verfügbar sein

Außerdem sei klar: Upload-Plattformen sollen auch künftig als freie, unzensierte Kommunikationskanäle für die Zivilgesellschaft zur Verfügung stehen. In Art. 17 Abs. 7 und 8 sei in diesem Zusammenhang bestimmt, dass Schutzmaßnahmen von Upload-Plattformen erlaubte Nutzungen geschützter Inhalte nicht behindern dürfen. Hierfür setze sich die Bundesregierung insbesondere auch deshalb ein, weil Upload-Plattformen zugleich ein Sprungbrett für Kreative seien, die so die Chance hätten, auch ohne Verlag oder Label ein weltweites Publikum zu erreichen.

Ziel: Genaue Regeln für Uploads

Ziel müsse es sein, das Instrument "Upload-Filter" weitgehend unnötig zu machen, heißt es in der Erklärung der Bundesrepublik weiter. Jeder dauerhafte "stay down" – Mechanismus ("Upload-Filter") müsse dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Es seien insbesondere verfahrensrechtliche Garantien denkbar, etwa wenn Nutzer beim Upload mitteilen, dass sie Inhalte Dritter erlaubterweise hochladen. Eine Löschung könnte in diesen Fällen also nicht automatisch, sondern erst nach einer von Menschen durchgeführten Überprüfung zulässig sein. Gleichzeitig sollte die Rechtsinhaberschaft an Inhalten, die entfernt werden sollen, hinreichend belegt werden, es sei denn, die Information stamme von einem "trusted flagger". In jedem Fall müssten die Plattformen einen niederschwelligen Zugang zu einem Beschwerdemechanismus gewährleisten, der eine effektive und möglichst umgehende Klärung streitiger Fälle ermöglicht.

Auch geschützte Inhalte auf Upload-Plattformen sollen kostenfrei genutzt werden können

Auch die Nutzung geschützter Inhalte auf Upload-Plattformen beispielsweise für Kritik und Rezensionen oder für Karikaturen, Parodien und Pastiches oder aber im Rahmen der Zitatschranke werde erlaubt, ohne dass eine Vergütung zu zahlen sei: Hier entstünden dem Rechtsinhaber ohnehin keine relevanten wirtschaftlichen Einbußen, gibt die Regierung zu bedenken. Für darüber hinaus gehende Nutzungen sollen Plattformen, soweit zu fairen Tarifen und mit zumutbarem Aufwand verfügbar, Lizenzen erwerben. Die Bundesregierung wolle prüfen, wie die faire Beteiligung der Kreativen an diesen Lizenzeinnahmen durch Direktvergütungsansprüche gesichert werden kann, und zwar auch dann, wenn die Online-Rechte ausschließlich dem Label, Verlag oder Produzenten zustehen. Außerdem sei zu gewährleisten, dass auch kreative Inhalte, die Nutzer auf Upload-Plattformen neu schaffen, angemessen vergütet werden, wenn diese kommerziell verwertet werden. Denn die politisch erwünschten Erlöse aus Nutzungen auf Upload-Plattformen müssten vor allem auch die Kreativen selbst erreichen.

Upload-Plattformen müssen Lizenzen einholen

Art. 17 verfolge das Ziel, die Nutzung von geschützten Inhalten auf Upload-Plattformen zu monetarisieren und eine angemessene und faire Vergütung der Künstler und Urheber sicherzustellen. Dieses Ziel teilt die Bundesregierung ausdrücklich. Der europäische Kompromiss stütze sich hierbei auf die Lizenzierung als Mittel der Wahl. Art. 17 Abs. 4 sehe vor, dass Upload-Plattformen "alle Anstrengungen" unternommen haben, um Lizenzen einzuholen. Dies werde ein entscheidender Punkt bei der Umsetzung dieser Vorschrift sein, meint die Bundesregierung. Es müssten praktikable Lösungen für die Einholung der Lizenzen gefunden werden. Von den Plattformen dürfe auf der einen Seite praktisch nichts Unzumutbares verlangt werden, auf der anderen Seite müsse sichergestellt werden, dass die Bemühungen, Lizenzen einzuholen, mit fairen Vergütungsangeboten verknüpft werden müssen.

Nicht nur Einzel-Lizenzierung möglich

Das Urheberrecht halte zur Lösung der Frage, wie Lizenzen möglichst für alle Inhalte auf Upload-Plattformen abgeschlossen werden können – neben der "klassischen" Einzel-Lizenzierung viele andere Mechanismen bereit (zum Beispiel sogenannte Schranken, gegebenenfalls verbunden mit Vergütungsansprüchen, Möglichkeit der Umwandlung von Ausschließlichkeitsrechten in Vergütungsansprüche, Kontrahierungszwang zu angemessenen Bedingungen; Einschaltung von Zusammenschlüssen von Kreativschaffenden wie zum Beispiel Verwertungsgesellschaften). Die Bundesregierung kündigt an, all diese Modelle prüfen zu wolen. Sollte sich zeigen, dass die Umsetzung zu einer Beschränkung der Meinungsfreiheit führt oder die zuvor skizzierten Leitlinien auf unionsrechtliche Hindernisse stoßen, will die Bundesregierung darauf hinwirken, dass die festgestellten Defizite des EU-Urheberrechts korrigiert werden.

Redaktion beck-aktuell, 15. April 2019.