EU-Kommissionsvize Jourova besorgt über Fortgang der Justizreform in Polen

EU-Kommissionsvizepräsidenten Vera Jourova sieht das polnische Justizsystem immer stärker in Gefahr und warnt vor unumkehrbaren Folgen. Anstelle von Verbesserungen werde die Situation immer schlechter, sagte die tschechische Politikerin gegenüber der Presse. Als Beispiel nannte Jourova die andauernde Tätigkeit der polnischen Disziplinarkammer am Obersten Gericht - trotz einer entgegenstehenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs.

Bewahren des Status Quo nicht ausreichend

Es gebe zwar einen Dialog mit Warschau, aber der bringe keine Verbesserungen. Ein Bewahren des aktuellen Zustands in Polen reiche nicht aus, sagte die 56-Jährige. "Es muss viele Verbesserungen geben und viele positive Reaktionen auf begründete Anforderungen der EU-Kommission und begründete Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs." Bereits vor knapp einem Jahr hatte sie gesagt, dass das Gesetz zur Disziplinierung von Richtern ein "Flächenbombardement" auf die Justiz sei.

Unabhängigkeit der Richter in Gefahr

Das Gesetz sieht vor, dass Richter mit Geldstrafen, Herabstufung oder Entlassung rechnen müssen, wenn sie die Entscheidungskompetenz oder Legalität eines anderen Richters, einer Kammer oder eines Gerichts infrage stellen. Die EU-Kommission sieht deshalb die Unabhängigkeit der Richter in Gefahr und begann ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Warschau. Nun leitete sie einen weiteren Schritt in dem Prozess ein. Lenkt Polen nicht ein, dürfte als Nächstes eine neue Klage vor dem EuGH folgen.

Keine offizielle Reaktion zur Verschärfung des Abtreibungsrechts

Die nationalkonservative Regierung in Warschau baut das Justizwesen seit Jahren um und setzt Richter damit nach Ansicht von Kritikern unter Druck. Die EU-Kommission klagte schon mehrfach gegen die Reformen, die zum Teil vom EuGH gekippt wurden. Zur Verschärfung des Abtreibungsrechts in Polen durch eine Entscheidung des Verfassungsgerichts wollte Jourova sich nicht äußern - zumindest nicht als EU-Kommissarin, da dies nicht in die Kompetenz der Brüsseler Behörde falle. Als Frau habe sie jedoch großes Verständnis für die Frauen, die gegen die Entscheidung protestierten. Das Verfassungsgericht hatte im Oktober 2020 entschieden, dass Frauen auch dann keine Abtreibung vornehmen dürfen, wenn das ungeborene Kind schwere Fehlbildungen aufweist.

Redaktion beck-aktuell, 2. Februar 2021 (dpa).