EU-Kommission will EU-Mehrwertsteuersystem weitreichend reformieren

Die Europäische Kommission hat am 04.10.2017 Pläne für eine groß angelegte Reform der EU-Mehrwertsteuervorschriften vorgelegt. Ziel ist vor allem, den grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug einzudämmen, aufgrund dessen der EU jährlich mehr als 150 Milliarden Euro an Mehrwertsteuer entgehen. Schätzungen zufolge könnten diese Ausfälle durch die vorgeschlagene Reform um 80% verringert werden.

Weniger Kosten für grenzüberschreitend tätige Unternehmen

Die Reform soll das System zudem für Unternehmen einfacher machen. Grenzüberschreitend tätige Unternehmen hätten derzeit um 11% höhere Kosten für die Vorschrifteneinhaltung als nur im Inland tätige Unternehmen, berichtet die Kommission. Diese Kosten dürften durch die Vereinfachung und Modernisierung des Mehrwertsteuersystems um schätzungsweise eine Milliarde Euro verringert werden können.

Mehrwertsteuersystem soll vereinheitlicht werden

Mit dem Reformpaket schlägt die Kommission vor, den Verkauf von Waren von einem EU-Land in ein anderes in gleicher Weise zu besteuern wie den Verkauf von Waren innerhalb desselben Mitgliedstaats. Vier grundlegende Prinzipien sollen als "Eckpfeiler" dieses neuen endgültigen und gemeinsamen EU-Mehrwertsteuerraums vereinbart werden.

Mehrwertsteuer auch für grenzüberschreitenden Handel zwischen Unternehmen

Erstens soll zur Betrugsbekämpfung künftig auf den grenzüberschreitenden Handel zwischen Unternehmen Mehrwertsteuer erhoben werden. Diese Art von Handel sei derzeit von der Mehrwertsteuer befreit, was skrupellose Unternehmen dazu verleite, die Mehrwertsteuer einzuziehen und dann zu verschwinden, ohne die Mehrwertsteuer an die Regierung abzuführen.

Zentrale Anlaufstelle

Durch die Schaffung einer zentralen Anlaufstelle soll es zweitens einfacher für grenzüberschreitend tätige Unternehmen werden, ihren mehrwertsteuerlichen Pflichten nachzukommen. Unternehmer sollen in einem einzigen Online-Portal in ihrer eigenen Sprache und nach den gleichen Regeln und administrativen Mustern wie in ihrem Heimatland Erklärungen abgeben und Zahlungen durchführen können. Die Mitgliedstaaten sollen einander dann die Mehrwertsteuer weiterleiten, wie dies bei elektronischen Dienstleistungen bereits der Fall ist.

Größere Kohärenz

Im Sinn einer größeren Kohärenz soll drittens eine Umstellung auf das "Bestimmungslandprinzip" erfolgen, bei dem der endgültige Betrag der Mehrwertsteuer stets an den Mitgliedstaat des Endverbrauchers entrichtet wird und dem in diesem Mitgliedstaat geltenden Satz entspricht. Bei elektronischen Dienstleistungen gelte der Grundsatz bereits, betonte die Kommission.

Weniger Bürokratie

Viertens schlägt die Kommission eine Vereinfachung der Vorschriften für die Rechnungslegung vor, sodass die Verkäufer auch beim grenzüberschreitenden Handel Rechnungen gemäß den Vorschriften ihres eigenen Landes stellen können. Die Unternehmen sollen künftig keine Liste von grenzüberschreitenden Transaktionen ("zusammenfassende Meldung") für ihre Finanzbehörde mehr erstellen müssen.

Vier kurzfristige Maßnahmen

Die Kommission will ferner den Begriff "zertifizierter Steuerpflichtiger" einführen. Darunter sollen vertrauenswürdige Unternehmen fallen, die von einfacheren und zeitsparenden Vorschriften profitieren sollen. Zudem sind laut Kommission vier "schnelle Lösungen" vorgeschlagen worden, die ab 2019 zur Anwendung kommen sollen. Diese kurzfristigen Maßnahmen sollen dazu dienen, das derzeitige Mehrwertsteuersystem bis zur Einführung der endgültigen Regelung zu verbessern.

Rat und Parlament müssen noch zustimmen

Der Legislativvorschlag der Kommission wird nun den Mitgliedstaaten im Rat zur Zustimmung und dem Europäischen Parlament zur Stellungnahme vorgelegt. Die Kommission kündigte an, anschließend im Jahr 2018 einen detaillierten Vorschlag zur Änderung der Mehrwertsteuerrichtlinie auf technischer Ebene vorzulegen, damit die jetzt vorgeschlagene endgültige Mehrwertsteuerregelung reibungslos umgesetzt werden kann.

 

Redaktion beck-aktuell, 5. Oktober 2017.