EU-Kommission wehrt sich gegen Kritik aus Polen

Die EU-Kommission wehrt sich im Streit über Gefahren für die Demokratie in Polen gegen Kritik aus dem EU-Land. "Die Kommission ist politisch farbenblind, wenn es um Rechtsstaatlichkeit geht", erklärte eine Sprecherin am 21.02.2017 in Brüssel. "Die Sorgen der Kommission werden von vielen Akteuren geteilt." Sie bezog sich damit auf ein Schreiben Polens vom 20.02.2017. Darin hatte die nationalkonservative Regierung Gefahren für den Rechtsstaat in Polen bestritten und scharfe Kritik an EU-Kommissar Frans Timmermans geübt, der erst am Wochenende Vorwürfe gegen Warschau erneuert hatte.

Polens Regierung sieht Angriffe aus Brüssel politisch motiviert

Polen unterstellt Timmermans politische Motive und vermutet, er wolle einen Mitgliedstaat stigmatisieren. Das müsse aufhören. Die Kommissionssprecherin entgegnete: "Wenn das Rechtsstaatsprinzip in einem Mitgliedstaat in Frage steht, dann ist das ein Thema für alle Mitgliedstaaten. Das liegt in der Natur der Sache, wenn man Mitglied der Europäischen Union ist."

Vor allem Umbau polnischen Verfassungsgerichts kritisiert

Der Schlagabtausch ist die jüngste Eskalation eines bereits einjährigen Streits. Die EU-Kommission hatte im Januar 2016 ein Prüfverfahren gegen Polen eingeleitet, weil sie den Rechtsstaat dort in Gefahr sieht. Es geht vor allem um den Umbau des polnischen Verfassungsgerichts durch die Regierungspartei PiS. Brüssel sieht dadurch die Kontrollfunktion des Gerichts eingeschränkt. Ein erstes Ultimatum war bereits im Oktober 2016 erfolglos verstrichen. Damals wies Warschau Forderungen Brüssels als "ungerechtfertigt" zurück.

Erfolgte Nachbesserungen aus Sicht der Kommission unzureichend

Um den Konflikt zu entschärfen, hatte die Partei Recht und Gerechtigkeit PiS das umstrittene Gesetz zwar mehrfach nachgebessert, war bei entscheidenden Forderungen Brüssels aber uneinsichtig geblieben. So wollen die Nationalkonservativen nicht von der nachträglichen Wahl dreier Verfassungsrichter abrücken, mit denen sie Kandidaten der Vorgängerregierung ersetzten. In einem Urteil in eigener Sache hatte das Tribunal die Wahl der Juristen für verfassungswidrig erklärt. Die PiS will diese Entscheidung aber nicht anerkennen – ein weiterer Kritikpunkt Brüssels. Aus Protest hatte Polens bisheriger Gerichtsvorsitzender Andrzej Rzeplinski die sogenannten "Doppelgänger-Richter" nicht urteilen lassen. Doch nach dem Ende seiner Amtszeit im Dezember 2016 ließ die neue Gerichtsvorsitzende Julia Przylebska die Juristen ins Amt. Sie war 2015 durch Stimmen der PiS in das Gericht gewählt worden, Kritiker werfen ihr Regierungsnähe vor. Zudem sei Przylebskas Wahl zur Vorsitzenden durch Reformen der PiS begünstigt worden, heißt es. Dies warf bei der EU-Kommission weitere Fragen auf. Sie gab Polens Nationalkonservativen bis zum 21.02.2017 Zeit, die Justizreform zu ändern.

Kommission will Polens Antwortschreiben noch genau prüfen

Polens Außenministerium teilte am 20.02.2017 mit, aus polnischer Sicht sei das Problem mit der Wahl der neuen Gerichtsvorsitzenden sowie Nachbesserungen der Justizreform im Dezember 2016 gelöst worden. Die Kommissionssprecherin bestätigte, man habe Polens Antwort erhalten und werde sie nun genau prüfen. Da die Partei Recht und Gerechtigkeit PiS sich weiter uneinsichtig zeigt, könnte Brüssel nun die Anwendung von Art. 7 der EU-Verträge vorschlagen. Dieser sieht vor, dass bei einer "schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung" der im EU-Vertrag verankerten Werte einem Mitgliedsland in letzter Konsequenz auch die Stimmrechte entzogen werden können.

Redaktion beck-aktuell, 21. Februar 2017 (dpa).