EU-Kommission verhängt Rekord-Kartellstrafe gegen Google

Die Europäische Kommission hat eine Geldbuße von 2,42 Milliarden EUR gegen Google verhängt, da das Unternehmen nach Ansicht der Kommission gegen das EU-Kartellrecht verstoßen hat. Google habe seine marktbeherrschende Stellung als Suchmaschinenbetreiber missbraucht, indem es einem anderen Google-Produkt – seinem Preisvergleichsdienst – einen unrechtmäßigen Vorteil verschafft habe, erklärte die zuständige Kommissarin Margrethe Vestager am 27.06.2017 in Brüssel.

Höchste bisher verhängte Kartellstrafe

Die Geldbuße ist mehr als doppelt so hoch wie die bislang höchste Kartellstrafe von 1,06 Milliarden Euro, die die europäischen Wettbewerbshüter 2009 dem Chipkonzern Intel aufgebrummt hatten. Die EU-Kommission verlangt, dass Google das beanstandete Verhalten innerhalb von 90 Tagen abstellt. Sonst drohen Zwangsgelder von bis zu 5% des durchschnittlichen weltweiten Tagesumsatzes der Muttergesellschaft Alphabet. Google erklärte in einer ersten Reaktion, man sei nach wie vor anderer Meinung in dem Fall und prüfe eine Berufung. “Wenn man online einkauft, will man die Produkte, die man sucht, schnell und einfach finden.“

Kommission wirft Google Bevorzugung eigener Dienste vor

Vestager erklärte dazu: "Die Strategie von Google für seinen Preisvergleichsdienst bestand nicht nur darin, Kunden zu gewinnen, indem es ein besseres Produkt anbietet als seine Wettbewerber. Google hat vielmehr seine marktbeherrschende Stellung als Suchmaschinenbetreiber missbraucht, indem es seinen eigenen Preisvergleichsdienst in seinen Suchergebnissen ganz oben platziert und Vergleichsdienste der Konkurrenz herabgestuft hat. Googles Verhalten ist nach den EU-Kartellvorschriften unzulässig. Google hat anderen Unternehmen die Möglichkeit genommen, im Wettbewerb durch Leistung zu überzeugen. Vor allem aber hat es verhindert, dass die europäischen Verbraucher wirklich zwischen verschiedenen Diensten wählen und die Vorteile der Innovation voll nutzen können.“

Preisvergleiche von Suchergebnissen abhängig

Die Wettbewerbsfähigkeit der Preisvergleichsdienste sei stark von der Anzahl der Zugriffe auf ihre Website abhängig, erläutert die Kommission. Je öfter die Website aufgerufen werde, desto mehr Klicks würden generiert und desto höher sei der Umsatz. Mit der Zahl der Aufrufe steige auch das Interesse der Einzelhändler daran, ihre Produkte bei den entsprechenden Preisvergleichsdiensten anzuzeigen. Angesichts der marktbeherrschenden Stellung von Google bei der allgemeinen Internetsuche spiele seine Suchmaschine eine wichtige Rolle für den Zugriff von Nutzern auf die Preisvergleichsdienste. Ab 2008 habe Google begonnen, seine Strategie auf den europäischen Märkten grundlegend zu ändern, um seinen Preisvergleichsdienst nach vorne zu bringen.

Algorithmen sorgen für bessere Sichtbarkeit von Googles Preisvergleichen

Diese Strategie stützte sich auf die marktbeherrschende Stellung von Google im Bereich der allgemeinen Internetsuche statt auf einen Leistungswettbewerb auf den Preisvergleichsmärkten: Google habe seinen eigenen Preisvergleichsdienst systematisch am besten platziert. Wenn ein Verbraucher einen Suchbegriff in die Suchmaschine von Google eingebe, würden die Ergebnisse des Preisvergleichsdiensts von Google ganz oder sehr weit oben auf der Suchergebnisliste angezeigt. Google habe konkurrierende Preisvergleichsdienste in seinen Suchergebnissen benachteiligt. Es sei nachgewiesen, dass der am besten platzierte Wettbewerber im Durchschnitt erst auf Seite vier der Suchergebnisse von Google angezeigt werde und andere Anbieter sogar noch weiter unten platziert seien. Auf Googles eigenen Preisvergleichsdienst werden diese generischen Suchalgorithmen und dadurch berechnete schlechtere Platzierungen nicht angewendet. Infolgedessen sei der Preisvergleichsdienst von Google für die Verbraucher in den Suchergebnissen von Google wesentlich sichtbarer als andere Preisvergleichsdienste.

Kommission bejaht Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

Dieses Verhalten von Google stelle eine missbräuchliche Ausnutzung seiner marktbeherrschenden Stellung in der allgemeinen Internetsuche dar, da es den Wettbewerb auf den Preisvergleichsmärkten beeinträchtige. In dem heutigen Beschluss kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass Google auf den Märkten für allgemeine Internetsuche im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) eine beherrschende Stellung innehat. Google hat diese marktbeherrschende Stellung auch missbraucht, indem es seinem eigenen Preisvergleichsdienst einen unrechtmäßigen Vorteil verschafft hat. Google platzierte seinen eigenen Preisvergleichsdienst in seinen Suchergebnissen ganz oben, während es konkurrierende Dienste weiter unten anzeigte. Auf diese Weise habe das Unternehmen den Wettbewerb auf den Preisvergleichsmärkten behindert. Die rechtswidrigen Verhaltensweisen von Google hätten dazu geführt, dass der Preisvergleichsdienst von Google sehr viele Nutzer hinzugewonnen habe, was zu Lasten seiner Wettbewerber und der europäischen Verbraucher gegangen sei. Beispielsweise fand die Kommission nach eigener Aussage konkrete Beweise dafür, dass die Anzahl der Aufrufe von konkurrierenden Websites im Vereinigten Königreich um 85%, in Deutschland um 92% und in Frankreich um 80% zurückging. Diese plötzlichen Rückgänge ließen sich auch nicht durch andere Faktoren erklären.

Folgen für Google

Die Kommission berücksichtigte bei der Festlegung der Geldbuße auf 2.424.495.000 Euro die Dauer und die Schwere der Zuwiderhandlung. Im Einklang mit den Leitlinien der Kommission zur Festsetzung von Geldbußen aus dem Jahr 2006 sei die Geldbuße auf der Grundlage der Umsätze von Google mit seinem Preisvergleichsdienst in den betroffenen 13 EWR-Staaten errechnet worden. Google müsse nun sein rechtswidriges Verhalten binnen 90 Tagen nach Erlass des Beschlusses abstellen und von allen Maßnahmen absehen, die denselben oder einen ähnlichen Zweck bzw. dieselbe oder eine ähnliche Wirkung haben. Insbesondere müsse das Unternehmen den Grundsatz der Gleichbehandlung auf konkurrierende Preisvergleichsdienste und seinen Dienst anwenden. Konkret bedeute dies, dass Google für die Platzierung und Anzeige konkurrierender Preisvergleichsdienste auf seinen Suchergebnisseiten dieselben Verfahren und Methoden wie bei seinem eigenen Dienst anwenden muss. Außerdem drohten Google zivilrechtliche Schadenersatzklagen, die von seinem wettbewerbswidrigen Verhalten betroffene Personen oder Unternehmen vor den Gerichten der Mitgliedstaaten einlegen könnten.

Google: “Wir hören unseren Kunden zu“

Der US-Internetgigant konterte in dem bereits seit 2010 laufenden Verfahren bisher, die mit Fotos und Details “verbesserten“ Suchergebnisse in der Shopping-Suche erleichterten den Nutzern die Auswahl und den Kontakt zu Händlern. “Das ist keine Bevorteilung, sondern wir hören unseren Kunden zu“, erklärte Google in einem Blogeintrag 2016. Die Argumentation der Brüsseler Behörde sei faktisch, rechtlich und wirtschaftlich falsch. Wenn der Internet-Konzern sich entschließt, gegen die EU-Entscheidung vor Gericht zu ziehen, dürfte dies das Verfahren um weitere Jahre verlängern. Der Streit um die Strafe gegen Intel von 2009 ist immer noch nicht endgültig ausgefochten. Google kritisiert unter anderem, die Kommission berücksichtige nicht die Rolle des weltgrößten Online-Händlers Amazon und missachte damit, wie die meisten Menschen tatsächlich online einkauften.

Redaktion beck-aktuell, 27. Juni 2017.

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