EU-Kommission stellt Möglichkeiten zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion vor

Die Europäische Kommission hat am 31.05.2017 Möglichkeiten zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion vorgestellt. Das auf dem Fünf-Präsidenten-Bericht vom Juni 2015 aufbauende Papier zeigt konkrete Schritte auf, die bis zu den Europa-Wahlen im Jahr 2019 eingeleitet werden könnten. Für die darauffolgenden Jahre, in denen die Architektur der Wirtschafts- und Währungsunion vollendet würde, skizziert sie eine Reihe von Optionen. Für erforderlich hält die Kommission Maßnahmen in drei zentralen Bereichen: die Vollendung einer echten Finanzunion, eine stärker integrierte Wirtschafts- und Fiskalunion sowie die Verankerung demokratischer Rechenschaftspflicht und die Stärkung der Institutionen des Euroraums.

Vollendung echter Finanzunion

Zur Vollendung einer echten Finanzunion sei, führt die Kommission aus, ein integriertes und gut funktionierendes Finanzsystem für eine wirksame und stabile Wirtschafts- und Währungsunion von entscheidender Bedeutung. Aufbauend auf den in den letzten Jahren bereits erzielten Fortschritten bedürfe es nun einer Einigung über den künftigen Kurs. Eine solche Einigung sollte sich auf Elemente erstrecken, die bereits vorgeschlagen wurden, als auch zusätzliche Schritte umfassen, die bis 2025 unternommen werden sollen. Dazu zählten die Vollendung der Bankenunion, Fortschritte bei der Eindämmung und gemeinsamen Abfederung von Risiken im Bankensektor und Maßnahmen, die die Krisenfestigkeit der Banken weiter stärken. Um der Realwirtschaft vielfältigere und innovative Finanzierungsmöglichkeiten auch über die Kapitalmärkte zu eröffnen, müsse ferner die Kapitalmarktunion vorangebracht werden.

Stärker integrierte Wirtschafts- und Fiskalunion

Bereits im Bericht der fünf Präsidenten werde anerkannt, dass die Konvergenz hin zu widerstandsfähigeren wirtschaftlichen und sozialen Strukturen in den Mitgliedstaaten ein wesentliches Element für den langfristigen Erfolg der Wirtschafts- und Währungsunion ist. Die Mitgliedstaaten könnten bereits bestehende Strukturen wie das Europäische Semester der wirtschaftspolitischen Koordinierung oder die Verknüpfung von finanzieller Unterstützung aus dem EU-Haushalt mit Strukturreformen stärken. Sie könnten auch festlegen, die Kapazität zur makroökonomischen Stabilisierung des Euro-Währungsgebiets zu verbessern. In dem Papier würden dazu verschiedene Optionen erörtert, die die Kommission näher prüfen werde.

Verankerung demokratischer Rechenschaftspflicht und Stärkung der Institutionen des Euroraums

Eine stärkere Wirtschafts- und Währungsunion lässt sich nach Ansicht der Kommission nur erreichen, wenn die Mitgliedstaaten bereit sind, in Angelegenheiten des Euro-Währungsgebiets innerhalb eines gemeinsamen Rechtsrahmens mehr Verantwortung zu teilen und mehr Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Dafür könnten sie auf die EU-Verträge und -Institutionen zurückgreifen, einen zwischenstaatlichen Ansatz verfolgen oder beide Ansätze miteinander kombinieren, wie dies gegenwärtig der Fall sei. Die weitere politische Integration könnte dazu führen, die Kompetenzverteilung zwischen der Kommission und der Euro-Gruppe zu überdenken. Außerdem könnte sie die Ernennung eines ständigen hauptamtlichen Vorsitzes und die Vereinheitlichung der Außenvertretung des Euro-Währungsgebiets rechtfertigen. Die Idee eines Schatzamts für den Euroraum – verbunden möglicherweise mit einem eigenen Haushalt für den Euroraum – und eines Europäischen Währungsfonds sei Gegenstand öffentlicher Debatten. Diese Vorstellungen könnten in einer späteren Phase der Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion innerhalb des EU-Rahmens aufgegriffen werden.

Drittes von fünf themenspezifischen Papieren

Das aktuelle Reflexionspapier ist nach Angaben der Kommission das dritte von fünf themenspezifischen Papieren, die die Kommission im Weißbuch zur Zukunft Europas angekündigt hatte. In dem Weißbuch würden die wichtigsten Herausforderungen und Chancen dargelegt, denen sich Europa im kommenden Jahrzehnt gegenübersehen wird. Das Weißbuch habe den Anfang eines Prozesses markiert, in dessen Rahmen die EU-27 die Weichen für die Zukunft der Union stellt. Um diesen Prozess zu unterstützen, veranstalte die Kommission in europäischen Städten und Regionen zusammen mit dem Europäischen Parlament und interessierten Mitgliedstaaten eine Reihe von Diskussionsrunden zur Zukunft Europas.

Reflexionspapiere als Aufrufe an die Allgemeinheit zur Stellungnahme

Das aktuelle Reflexionspapier dient laut Kommission als Aufruf an die Allgemeinheit, im Zuge der breiteren Debatte über die Zukunft Europas zur Zukunft unserer Wirtschafts- und Währungsunion Stellung zu nehmen. Das weitere Vorgehen müsse auf einem breiten Konsens beruhen und den anstehenden globalen Herausforderungen Rechnung tragen. Dementsprechend würden auch die Reflexionspapiere über die Globalisierung und die soziale Dimension Europas sowie das kommende Reflexionspapier über die Zukunft der EU-Finanzen in die Debatte über die Zukunft unserer Wirtschafts- und Währungsunion einfließen. Ferner werde die Kommission ein Reflexionspapier zur Zukunft der europäischen Verteidigung veröffentlichen.

Redaktion beck-aktuell, 1. Juni 2017.

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