Millionengeldbußen gegen Autohersteller wegen Absprachen bei Abgasreinigung neuer Diesel-Pkw

Die Europäische Kommission hat gegen Daimler, BMW und den Volkswagen-Konzern (Volkswagen, Audi und Porsche) wegen Absprachen über die technische Entwicklung im Bereich der Stickoxidreinigung Geldbußen in Höhe von 875 Millionen Euro verhängt. Daimler wurde die Geldbuße erlassen, weil das Unternehmen die Kommission von dem Kartell in Kenntnis gesetzt hatte. Laut Kommission haben alle Unternehmen ihre Kartellbeteiligung eingeräumt und einem Vergleich zugestimmt.

"Überengagement" bei Abgasreinigung in Absprachen ausgeschlossen

Laut Kommission hatten die Automobilhersteller regelmäßig Fachtreffen abgehalten, bei denen sie über die Entwicklung der SCR-Technologie berieten, mit der schädliche Stickoxidemissionen ("NOx-Emissionen") von Diesel-Pkw durch die Einspritzung von Harnstoff ("AdBlue") in den Abgasstrom beseitigt werden können. Bei diesen Zusammenkünften hätten sich die Automobilhersteller über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren darauf verständigt, nicht miteinander um eine über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Abgasreinigung zu konkurrieren, obwohl die dafür benötigte Technologie zur Verfügung stand.

Wettbewerb um für Kunden relevante Produktmerkmale eingeschränkt

Konkret hätten Daimler, BMW und der VW-Konzern die Größen der AdBlue-Tanks und die Reichweiten festgelegt und ein gemeinsames Verständnis zum zu erwartenden durchschnittlichen AdBlue-Verbrauch erreicht. Außerdem hätten sie sensible Informationen zu diesen Aspekten ausgetauscht. Dadurch, so die Kommission, hätten sie die Ungewissheit beseitigt, die mit ihrem künftigen Marktverhalten in Bezug auf eine über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Reinigung der NOx-Emissionen (sogenannte Übererfüllung) und die AdBlue-Nachfüll-Reichweiten verbunden war. Sie hätten damit den Wettbewerb um für Kunden relevante Produktmerkmale eingeschränkt.

Zuwiderhandlung in Form einer Einschränkung der technischen Entwicklung

Dieses Verhalten stelle eine bezweckte Zuwiderhandlung in Form einer Einschränkung der technischen Entwicklung dar, eine Art der Zuwiderhandlung, die in Art. 101 Abs. 1b AEUV und Art. 53 Abs. 1 b EWR ausdrücklich genannt sei. Wie die Kommission mitteilt, dauerte die Zuwiderhandlung vom 25.06.2009 bis zum 01.10.2014.

Mit Verkauf betroffener Diesel-Pkw erzielter Umsatz bestimmt Höhe der Geldbuße

Bei der Festsetzung der Höhe der Geldbußen berücksichtigte die Kommission den Umsatz, den die Kartellteilnehmer im EWR im Jahr 2013 (dem letzten vollständigen Jahr der Zuwiderhandlung) mit dem Verkauf von mit SCR-Systemen ausgestatteten Diesel-Pkw erzielt haben, die Schwere sowie den geografischen Umfang der Zuwiderhandlung.

Ermäßigung wegen Begrenzung des Verstoßes auf Beschränkung technischer Entwicklung

Weil dies das erste Mal gewesen sei, dass die Kommission einen Kartellverbotsbeschluss erlassen hat, der sich allein auf eine Beschränkung der technischen Entwicklung und nicht auf Preisfestsetzung, Marktaufteilung oder Kundenzuteilung bezieht, sei allen beteiligten Unternehmen eine zusätzliche Ermäßigung der Geldbuße gewährt worden. Die Höhe der Ermäßigung (20%) trage dem Umstand Rechnung, dass diese Art von Verhalten nach Art. 101 Abs. 1b AEUV ausdrücklich verboten sei.

Kronzeugenregelung kommt auch VW-Konzern zugute

Auf der Grundlage der Kronzeugenregelung der Kommission aus dem Jahr 2006 sei Daimler die Geldbuße, die ansonsten insgesamt rund 727 Millionen Euro betragen hätte, vollständig erlassen worden. Dem Volkswagen-Konzern sei gemäß der Kronzeugenregelung eine Ermäßigung der Geldbuße gewährt worden. Die Höhe der Ermäßigung von 45% berücksichtige den Zeitpunkt der Kooperation und inwieweit die vom Konzern vorgelegten Beweismittel zum Nachweis des Kartells beigetragen haben, so die Kommission.

Reduzierung der Geldbußen wegen Einräumung der Kartellbeteiligung

Darüber hinaus seien die gegen alle beteiligten Unternehmen verhängten Geldbußen auf Basis ihrer Mitteilung über Vergleichsverfahren aus dem Jahr 2008 um 10% reduziert worden, da die Unternehmen ihre Beteiligung an dem Kartell eingeräumt und die Verantwortung dafür übernommen hätten. Danach belaufe sich die gegen den VW-Konzern verhängte Geldbuße auf 502.362.000 Euro, die gegen BMW verhängte auf  372.827.000 Euro.

Redaktion beck-aktuell, 8. Juli 2021.