Dialogbereitschaft der Kommission betont
Man tue dies nur schweren Herzens, aber es gebe keine andere Option, sagte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans. "Es geht hier nicht nur um Polen, es geht um die gesamte Europäische Union." Allerdings betonte er die weitere Dialogbereitschaft der Kommission. Außerdem gab er klare Empfehlungen an die Regierung in Warschau, wie sie den Konflikt beilegen könne. Sollte sie dem binnen drei Monaten folgen, werde die Kommission erneut beraten, sagte Timmermans. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker teilte auf Twitter mit, dass er Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki für den 09.01.2017 zum Gespräch eingeladen habe.
Rat der Mitgliedsländer zuständig
Entscheidungen im Verfahren nach Art. 7 liegen beim Rat der Mitgliedsländer. Nach dem Antrag der Kommission könnten diese mit Vier-Fünftel-Mehrheit feststellen, dass die Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Grundwerte der EU besteht. Vorher muss er allerdings die Zustimmung des Europaparlaments einholen, das erst im Januar 2018 wieder tagt.
Rücknahme der Justizreformen abgelehnt
Der neue polnische Ministerpräsident Morawiecki hatte zuletzt ein Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Juncker für Januar 2018 angekündigt. Zudem hatte er gesagt, er hoffe, Warschau und Brüssel würden auch im Fall eines Verfahrens eine Ebene der Zusammenarbeit finden. Allerdings lehnte er die Rücknahme der Justizreformen ab, die den Streit mit Brüssel zuletzt eskalieren ließen.
Rechtsexperten kritisieren Polen
Die polnische Regierungspartei PiS hatte in den vergangenen Tagen zwei weitere Gesetze durch das Parlament gebracht, mit denen das Oberste Gericht und der Landesjustizrat reformiert werden sollen. Die Unterschrift von Präsident Andrzej Duda fehlte zuletzt noch. Rechtsexperten kritisieren, mit der Neuregelung gewinne die PiS Einfluss auf Richter und Gerichte. Die EU-Kommission warnt schon seit Anfang 2016 davor, dass die bereits damals begonnenen Justizreformen in Polen den Rechtsstaat aushöhlen könnten.
Bundesregierung unterstützt Linie der Kommission
Die Bundesregierung unterstützt die Linie der Kommission: "Die Kommission hat es sich wirklich nicht leicht gemacht", sagte ihr Sprecher Steffen Seibert in Berlin. Der Entscheidung sei ein konstruktiver und intensiver Dialog vorausgegangen.
Aussetzung von Stimmrechten als letzte Konsequenz
Das Verfahren nach Art. 7 gilt als schärfste mögliche Maßregelung eines Mitgliedsstaats. Als letzte Konsequenz ist damit die Aussetzung von Stimmrechten möglich. Allerdings sind die Hürden hoch. Sollte der Rat die Gefahr einer Verletzung der Rechtsstaatlichkeit feststellen, wäre dies zunächst mit Empfehlungen an Polen verbunden. Erst im nächsten Schritt könnte der Rat die tatsächliche Verletzung der Rechtsstaatlichkeit festhalten – allerdings nur einstimmig. Da Ungarn sein Veto angekündigt hat, gilt dies als unwahrscheinlich. In dem Fall wäre auch die Aussetzung der Stimmrechte nicht möglich.