EU gegen Deutschland: Verstöße bei EU-Haftbefehl und im Naturschutz

Deutschland verstößt mit seinen Regeln für den Europäischen Haftbefehl nach Einschätzung der EU-Kommission gegen EU-Recht. Deshalb leitete die Brüsseler Behörde am Donnerstag ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Berlin ein. Wegen jahrelanger Verstöße gegen geltendes Naturschutzrecht verklagte sie Deutschland außerdem vor dem Europäischen Gerichtshof. Eine "bedeutende Anzahl von Gebieten" sei immer noch nicht als Schutzgebiet ausgewiesen worden.

Ersatz für langwierige Auslieferungsverfahren

Der Europäische Haftbefehl soll die Übergabe gesuchter Personen etwa zur Strafverfolgung oder Vollstreckung einer Freiheitsstrafe innerhalb der EU vereinfachen. Seit 2004 ersetzt er langwierige Auslieferungsverfahren. Die EU-Kommission bemängelt nun unter anderem, dass Deutschland, Zypern und Schweden eigene Bürger im Vergleich zu anderen EU-Bürgern bevorzugt behandelten oder Möglichkeiten böten, einen Europäischen Haftbefehl abzulehnen. Nach EU-Recht sind solche Möglichkeiten nicht vorgesehen sind.

Klage vor EuGH möglich

Deutschland hat nun zwei Monate Zeit, auf das Schreiben aus Brüssel zu reagieren und die Bedenken auszuräumen. Andernfalls dürfte die EU-Kommission, die in der Staatengemeinschaft die Einhaltung von EU-Recht überwacht, das Verfahren vorantreiben. Am Ende könnte eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof stehen.

Klage wegen Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie

Seit Jahren bemängelt die EU-Kommission zudem, dass Deutschland gegen europäisches Naturschutzrecht verstößt. Und seit Jahren räumt die Bundesrepublik die Bedenken nicht aus. Jetzt klagt die EU-Kommission vor dem höchsten EU-Gericht. Es geht um die Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie zur Erhaltung natürlicher Lebensräume sowie zum Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen. Kern ist die Ausweisung von Schutzgebieten in den EU-Staaten. Dazu gehören sogenannte Erhaltungsziele, um den Bestand von Arten zu schützen oder wiederherzustellen.

Erhaltungsziele nicht ausreichend messbar

Bereits 2015 hatte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, doch räumte Berlin die Bedenken im Laufe der Jahre nicht aus. Dabei sei die "Frist für die Vollendung der notwendigen Maßnahmen für alle Gebiete in Deutschland" in einigen Fällen schon vor mehr als zehn Jahren abgelaufen, teilte die EU-Kommission am Donnerstag mit. Die Behörde bemängelte unter anderem, dass "die für die einzelnen Gebiete in Deutschland festgelegten Erhaltungsziele nicht hinreichend quantifiziert und messbar" seien. Die EU-Kommission gehe davon aus, dass es in allen Bundesländern und auf Bundesebene Praxis war, "für alle 4606 Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung keine hinreichend detaillierten und quantifizierten Erhaltungsziele festzulegen". Dies habe "erhebliche Auswirkungen auf die Qualität und Wirksamkeit" der Maßnahmen.

Redaktion beck-aktuell, 18. Februar 2021 (dpa).