Diskriminierung aufgrund des Geschlechts wegen unterschiedlichen Rentenalters
Die Hauptbedenken der Kommission bei diesem Gesetz betreffen die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, da für Richterinnen und Richter ein unterschiedliches Rentenalter (60 Jahre für Frauen und 65 Jahre für Männer) festgelegt wird. Dies verstoße gegen Art. 157 AEUV und die Richtlinie 2006/54 über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeitsfragen, so die Kommission.
Kommission sieht Unabhängigkeit der polnischen Gerichte in Gefahr
In dem Aufforderungsschreiben bringt die Kommission außerdem ihre Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit der polnischen Gerichte zum Ausdruck. Diese werde dadurch untergraben, dass der Justizminister das Recht erhält, die Amtszeit von Richtern, die das Ruhestandsalter erreicht haben, nach eigenem Ermessen zu verlängern sowie Gerichtspräsidenten zu entlassen und zu ernennen (siehe Art. 19 Abs. 1 EUV in Verbindung mit Art. 47 der EU-Grundrechtecharta). Die neuen Vorschriften geben dem Justizminister nach Ansicht der Kommission die Möglichkeit, Einfluss auf einzelne Richter zu nehmen, insbesondere durch vage Kriterien für die Amtszeitverlängerung, die den Grundsatz der Unabsetzbarkeit von Richtern untergraben. Auch wenn das Pensionsalter herabgesetzt wird, gebe das Gesetz dem Justizminister doch die Möglichkeit, Richterinnen bis zu zehn Jahre und Richter bis zu fünf Jahre länger im Amt zu lassen. Zudem gebe es für die Entscheidung des Justizministers über die Amtszeitverlängerung keinerlei zeitliche Vorgaben, sodass die Möglichkeit zur Einflussnahme auf die betroffenen Richter für deren gesamte verbleibende Amtszeit bestehen bleibe.
Kommission noch immer offen für konstruktive Lösung
Gleichzeitig hat der Erste Vizepräsident Frans Timmermans in einem Schreiben vom 28.07.2017 an den polnischen Außenminister seine Einladung erneuert, sobald wie möglich gemeinsam mit dem polnischen Justizminister nach Brüssel zu kommen, um den Dialog wiederaufzunehmen. Nach wie vor gelte, was er im Kontext des Dialogs zur Rechtsstaatlichkeit erklärt abe: "Unsere Hand ist nach wie vor ausgestreckt in der Hoffnung auf einem konstruktiven Dialog mit den polnischen Regierenden."
Polen hat nun einen Monat Zeit
In dem Aufforderungsschreiben der Kommission wird die polnische Regierung ersucht, innerhalb eines Monats zu antworten. Nach Prüfung der polnischen Antwort oder wenn innerhalb dieser Frist keine Äußerungen eingehen, kann die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme abgeben und damit die zweite Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens einleiten. Das Vertragsverletzungsverfahren kommt zu dem von der Kommission im Januar 2016 eingeleiteten Dialog über die Rechtsstaatlichkeit und der am 26.07.2017 ausgesprochenen ergänzenden Empfehlung zur Rechtsstaatlichkeit hinzu.