EU-Kommission: Einhaltung des EU-Rechts in Mitgliedstaaten verbesserungsfähig

Laut Europäischer Kommission besteht bei der Einhaltung des EU-Rechts in den Mitgliedstaaten Verbesserungsbedarf. Sie verweist auf den am 12.07.2018 vorgelegten Jahresbericht 2017 über die Kontrolle der Anwendung des Unionsrechts. Aus dem ebenfalls am 12.07.2018 veröffentlichten Online-Binnenmarktanzeiger gehe hervor, dass zwar die meisten Hindernisse für den freien Verkehr von Personen, Dienstleistungen, Waren und Kapital abgebaut werden, es jedoch einige Bereiche gibt, in denen die Situation stagniert oder sich sogar verschlechtert hat.

2017 etwas weniger Vertragsverletzungsverfahren anhängig

Der Jahresbericht für 2017 weist im Vergleich zum Jahr 2016 einen leichten Rückgang der anhängigen Vertragsverletzungsverfahren (-5,91%) aus. Nachdem 2016 der höchste Wert seit fünf Jahren verzeichnet worden war, hat sich die Zahl der Fälle 2017 also wieder nach unten bewegt. Jedoch würden mit jeder nicht ordnungsgemäßen Anwendung von EU-Recht Bürgern und Unternehmen Rechte und Vorteile vorenthalten, die ihnen nach dem Unionsrecht zustehen, gibt die Kommission zu bedenken. So sei beispielsweise im Bereich des Umweltschutzes die vollständige Umsetzung und Anwendung der Richtlinie zur Verringerung des Verbrauchs von Plastiktüten eine wesentliche Bedingung dafür, dass den wachsenden Bedenken der Bürger gegenüber der Verwendung von Plastik Rechnung getragen wird.

Deutschland 2017 oft wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung im Fokus

Die meisten Vertragsverletzungsverfahren wegen verspäteter Umsetzung waren laut Kommission gegen Belgien, Zypern und Portugal anhängig, die wenigsten gegen Italien, Dänemark und Ungarn. Gegen Spanien, Italien und Deutschland waren 2017 die meisten Fälle wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung und/oder Anwendung von EU-Recht, anhängig, gegen Dänemark die wenigsten. Die Politikfelder, in denen 2017 die meisten Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurden, waren Mobilität und Verkehr, Umwelt sowie Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion.

Zahl neuer Vertragsverletzungsverfahren wegen verspäteter Umsetzung zurückgegangen

Damit Bürger sowie Unternehmen die Vorteile des EU-Rechts nutzen können, müssten die Mitgliedstaaten europäische Richtlinien innerhalb der vereinbarten Fristen in nationales Recht umsetzen, betont die Kommission. 2017 sei die Zahl neuer Vertragsverletzungsverfahren wegen verspäteter Umsetzung um ganze 34% zurückgegangen (von 847 im Jahr 2016 auf 558 im Jahr 2017) und nähere sich nun wieder dem Niveau von 2015 (543) an. Neue Vertragsverletzungsverfahren gegen die Mehrzahl der Mitgliedstaaten hat die Kommission wegen Nichtumsetzung der Richtlinien über den Verbrauch von Plastiktüten, über Abfälle und über die Verkehrssicherheit von Fahrzeugen eingeleitet.

Kommission unterstützt Mitgliedstaaten bei Umsetzung von EU-Recht

Um die rechtzeitige und korrekte Umsetzung zu erleichtern, unterstützte die Kommission eigenen Angaben zufolge die Mitgliedstaaten mit Durchführungsplänen, speziellen Websites und Leitfäden sowie durch den Austausch bewährter Verfahren in Expertengruppen. So habe die Kommission bereits im Januar 2018 im Vorfeld des Inkrafttretens der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) zum 25.05.2018 detaillierte Leitlinien veröffentlicht, die den Mitgliedstaaten bei der fristgerechten Anwendung der neuen Vorschriften helfen sollten.

Fünf Mitgliedstaaten vor EuGH verklagt

2017 erhob die Kommission gegen fünf Mitgliedstaaten Klage beim Gerichtshof der Europäischen Union und forderte die Verhängung finanzieller Sanktionen: gegen Belgien in zwei Fällen, gegen Kroatien in zwei Fällen und gegen die Slowakei, gegen Slowenien und gegen Spanien in je einem Fall.

Finnland, Dänemark und die Slowakei bei Umsetzung der EU-Binnenmarktvorschriften vorne

Der Binnenmarktanzeiger liefert laut Kommission einen präzisen, detaillierten Überblick über den Stand der Umsetzung der EU-Binnenmarktvorschriften im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 2017. Er enthalte eine Bewertung der Anwendung dieser Vorschriften in den EU- und EWR-Ländern und zeige die Bereiche auf, in denen die Länder und die Kommission ihre Bemühungen verstärken und Mängel beheben sollten. Besser geworden seien die Mitgliedstaaten bei der Anerkennung von Berufsqualifikationen, der Umsetzung von Binnenmarktvorschriften und der Entwicklung von Tools zur Unterstützung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes in der Praxis (Ihr Europa, e-Certis und EURES). Aber im Vergleich zur vorherigen Ausgabe des Binnenmarktanzeigers hätten sie auch mehr rote Karten in den Bereichen Offenheit für den grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr, Fairness der öffentlichen Auftragsvergabe und Zahl der Vertragsverletzungsverfahren bekommen. Insgesamt hätten Finnland, Dänemark und die Slowakei die besten Ergebnisse erzielt und die Tschechische Republik, Irland und Griechenland die meisten roten Karten erhalten.

Kommission reagiert auf Bürgerbeschwerden

Bürger, Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen und andere Interessenträger könnten vermutete Verstöße gegen das EU-Recht direkt melden, teilt die Kommission mit, und zwar mit einem Online-Beschwerdeformular. 2017 hätten die Beschwerden mehrheitlich Sachverhalte aus den Bereichen Justiz und Verbraucherrechte, Beschäftigung, EU-Binnenmarkt, Industrie und KMU betroffen. Bei einer Beschwerde könne SOLVIT Bürgern sowie Unternehmen helfen, ihre Probleme mit einer Behörde in einem anderen EU-Mitgliedstaat zu lösen.

Redaktion beck-aktuell, 13. Juli 2018.

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