EU-Kommission schlägt Reform des digitalen Raums vor
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Gleiche Regeln online wie offline: Die EU-Kommission schlägt eine Reform des digitalen Raums vor. Sie hat dazu am 15.12.2020 einen Gesetzentwurf über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) und einen über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) vorgelegt. Europäische Werte stehen laut Kommission im Mittelpunkt der beiden Vorschläge. Die neuen Bestimmungen sollen die Verbraucher und ihre Grundrechte im Internet besser schützen und zu faireren und offeneren digitalen Märkten für alle führen.

Gesetz über digitale Dienste

Das Gesetz über digitale Dienste sieht EU-weit verbindliche Pflichten für alle digitalen Dienste vor, die den Verbrauchern Waren, Dienstleistungen oder Inhalte vermitteln. Es legt neue Verfahren für die schnellere Entfernung illegaler Inhalte fest und gewährleistet den umfassenden Schutz der Grundrechte der Nutzer im Internet. Im Einklang mit den europäischen Werten – wie Achtung der Menschenrechte, Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit – soll der neue Rahmen laut Kommission wieder ein Gleichgewicht zwischen den Rechten und Verantwortlichkeiten der Nutzer, der vermittelnden Plattformen und der Behörden herstellen.

Viele neue EU-weit harmonisierte Verpflichtungen für digitale Dienste

Konkret führt das Gesetz über digitale Dienste laut Kommission eine ganze Reihe neuer, EU-weit harmonisierter Verpflichtungen für digitale Dienste ein, die nach der Größe und den Auswirkungen dieser Dienste abgestuft sind. Vorgesehen seien Vorschriften für die Entfernung illegaler Waren, Dienstleistungen oder Inhalte aus dem Internet sowie Schutzvorkehrungen für Nutzer, deren Inhalte von Plattformen irrtümlicherweise gelöscht werden. Der Gesetzentwurf enthält neue Pflichten für sehr große Plattformen, die risikobasierte Maßnahmen ergreifen müssen, um den Missbrauch ihrer Systeme zu verhindern. Weiter soll es weitreichende Transparenzmaßnahmen geben – auch in Bezug auf Online-Werbung und die Algorithmen, mit denen den Nutzern Inhalte empfohlen werden. Forscher sollen Zugang zu wichtigen Plattformdaten erhalten, um von ihren neuen Befugnissen zur Untersuchung der Funktionsweise der Plattformen Gebrauch machen zu können. Um Verkäufer illegaler Waren oder Dienstleistungen leichter aufspüren zu können, seien neue Vorschriften für die Nachverfolgbarkeit gewerblicher Nutzer auf Online-Marktplätzen geplant. Auch soll es einen "innovativen Kooperationsprozess" zwischen den Behörden geben, um eine wirksame Durchsetzung im gesamten Binnenmarkt zu gewährleisten.

Besondere Verpflichtungen für systemrelevante Plattformen

Plattformen, die mehr als 10% der EU-Bevölkerung (45 Millionen Nutzer) erreichen, gelten laut Kommission als systemrelevant und unterliegen nicht nur besonderen Verpflichtungen in Bezug auf das Management ihrer eigenen Risiken, sondern auch einer neuen Aufsichtsstruktur. Dieser neue Rechenschaftsrahmen werde aus einem Gremium nationaler Koordinatoren für digitale Dienste bestehen, wobei die Kommission besondere Befugnisse bei der Beaufsichtigung sehr großer Plattformen erhalten soll, einschließlich der Möglichkeit, diese direkt zu sanktionieren.

Gesetz über digitale Märkte

Das Gesetz über digitale Märkte befasst sich mit den negativen Folgen bestimmter Verhaltensweisen von Plattformen, die als digitale "Torwächter" im Binnenmarkt fungieren. Die Kommission weist darauf hin, dass diese Plattformen erhebliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt hätten, als wichtiges Zugangstor dienten, über das gewerbliche Nutzer ihre Kunden erreichen, und – derzeit und wahrscheinlich auch künftig – eine gefestigte und dauerhafte Position einnähmen. Mitunter kontrollierten solche Unternehmen sogar ganze Plattformökosysteme. Wenn ein solcher Torwächter unlautere Geschäftspraktiken anwendet, könne er wertvolle und innovative Dienste seiner gewerblichen Nutzer und Wettbewerber ausbremsen oder daran hindern, die Verbraucher zu erreichen. Das Gesetz über digitale Märkte solle dem entgegentreten.

Harmonisierte Verbotsvorschrift und Durchsetzungsmechanismus

Das Gesetz über digitale Märkte baut laut Kommission auf der horizontalen Verordnung über die Beziehungen zwischen Online-Plattformen und Unternehmen, den Erkenntnissen der Beobachtungsstelle für die Online-Plattformwirtschaft und den umfangreichen Erfahrungen der Kommission im Umgang mit Online-Märkten im Zuge der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts auf. Es enthalte insbesondere harmonisierte Vorschriften zur Definition und zum Verbot solcher unlauteren Praktiken von Torwächtern und sieht einen Durchsetzungsmechanismus vor, der auf Marktuntersuchungen beruht. Derselbe Mechanismus werde auch dafür sorgen, dass die in der Verordnung festgelegten Verpflichtungen in der sich ständig weiterentwickelnden digitalen Wirklichkeit stets auf dem neuesten Stand gehalten werden.

Geltung nur für große Anbieter der zentralen Plattformdienste

Das Gesetz über digitale Märkte werde nur für die großen Anbieter der zentralen Plattformdienste gelten, die für unlautere Praktiken am anfälligsten sind, stellt die Kommission klar und nennt als Beispiele Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder Online-Vermittlungsdienste, soweit sie den objektiven gesetzlichen Kriterien für eine Einstufung als Torwächter entsprechen. Das Gesetz werde quantitative Schwellenwerte als Grundlage für die Ermittlung mutmaßlicher Torwächter festlegen. Die Kommission werde zudem befugt sein, Unternehmen nach einer Marktuntersuchung als Torwächter einzustufen.

Verbot unlauterer Praktiken

Eine Reihe eindeutig unlauterer Praktiken sollen verboten werden: Zum Beispiel sollen die Nutzer nicht daran gehindert werden dürfen, eine vorinstallierte Software oder App zu deinstallieren. Torwächter sollen zur proaktiven Ergreifung bestimmter Maßnahmen verpflichtet werden, zum Beispiel gezielter Vorkehrungen, damit Software Dritter ordnungsgemäß funktioniert und mit ihren eigenen Diensten zusammenwirken kann.

Sanktionen bei Verstößen

Vorgesehen sind laut Kommission auch Sanktionen bei Verstößen, darunter mögliche Geldbußen in Höhe von bis zu 10% des weltweiten Umsatzes eines Torwächters, um die Wirksamkeit der neuen Vorschriften zu gewährleisten. Im Wiederholungsfall könnten diese Sanktionen auch die Verpflichtung umfassen, strukturelle Maßnahmen zu ergreifen, die sich sogar auf die Veräußerung bestimmter Geschäftsbereiche erstrecken können, wenn es keine andere ebenso wirksame Alternative gibt, um die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen. Die Kommission soll schließlich die Möglichkeit erhalten, gezielte Marktuntersuchungen durchzuführen, um zu beurteilen, ob neue Torwächterpraktiken und ‑dienste aufgenommen werden müssen, damit die neuen Torwächter-Bestimmungen mit der raschen Entwicklung der digitalen Märkte Schritt halten.

Zustimmung von Politikern und Verbraucherschützern

Dass die EU-Kommission den Tech-Riesen zu Leibe rücken will, wurde von Politikern und Verbraucherschützern weitgehend positiv aufgenommen. "Jetzt können wir einen Rahmen für die Zukunft setzen, der für alle gilt. So kann Europa zum Vorreiter für den Schutz der Grundrechte und Verbraucherschutz in der digitalen Welt werden" sagte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). Auch der europäische Verbraucherverband Beuc begrüßte die Vorschläge. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zeigte sich zufrieden und verwies darauf, dass in Deutschland mit dem GWB-Digitalisierungsgesetz bereits der von der EU-Kommission angestrebte Reformweg eingeschlagen worden sei. Das Gesetz befinde sich derzeit im parlamentarischen Verfahren. Es solle ein modernes, schlagkräftiges und digitales Wettbewerbsrecht schaffen. Zentraler Inhalt seien konkrete Verhaltenspflichten für Plattformunternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung. "Es werden erstmalig im Wettbewerbsrecht klare und auf digitale Sachverhalte zugeschnittene Vorgaben für große Plattformen geschaffen", so Altmaier. Dies solle zum Wohle der Verbraucher und der Unternehmen sicherstellen, dass auch auf digitalen Märkten fairer Wettbewerb gewährleistet wird.

Redaktion beck-aktuell, 16. Dezember 2020 (ergänzt durch Material der dpa).