EU-Justizbarometer: Justiz arbeitet wirksamer und zugänglicher
Lorem Ipsum
© Winfried Rothermel / picture alliance

Die Justizsysteme in der EU haben an Effizienz gewonnen. Dennoch aber ist das Vertrauen in die Justiz in einigen Mitgliedstaaten rückläufig. Dies meldet die Europäische Kommission unter Hinweis auf das von ihr am 10.07.2020 veröffentlichte EU-Justizbarometer 2020, das einen vergleichenden Überblick über Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit der Justizsysteme in allen EU-Mitgliedstaaten gibt.

Aufwärtstrend bei Effizienz der Justizsysteme

In den meisten Mitgliedstaaten, die im Rahmen des Europäischen Semesters als Länder mit besonderen Herausforderungen eingestuft wurden, sind laut Kommission seit 2012 Fortschritte erzielt worden. So habe sich die Dauer der erstinstanzlichen Gerichtsverfahren in fast all diesen Mitgliedstaaten verringert oder sei stabil geblieben. Fast alle Mitgliedstaaten hätten eine hohe Verfahrensabschlussquote gemeldet (über 97%). Das lasse darauf schließen, dass es den Gerichten im Allgemeinen gelingt, neue Fälle zu bewältigen und einen Verfahrensrückstau allmählich abzubauen. Im Justizbarometer werde auch die Effizienz in bestimmten Bereichen des EU-Rechts untersucht, die aufgrund ihrer Relevanz für den Binnenmarkt und das Unternehmensumfeld ausgewählt werden. Dazu gehört nach Angaben der Kommission beispielsweise das Verbraucherrecht: In diesem Bereich dauere es in sieben Mitgliedstaaten weniger als drei Monate, bis eine Entscheidung ergeht. Im Bereich der Geldwäsche dauerten die erstinstanzlichen Gerichtsverfahren in der Hälfte der Mitgliedstaaten durchschnittlich ein Jahr, während in mehreren Mitgliedstaaten, in denen Probleme hinsichtlich der Verfolgung von Geldwäschedelikten bestehen, bis zu zwei Jahre vergehen.

Vertrauen in Unabhängigkeit der Justiz in manchen Ländern problematisch

Nach den Ergebnissen der neuen Eurobarometer-Umfrage habe sich die von den Bürgern wahrgenommene Unabhängigkeit der Justiz in zwei Dritteln der Mitgliedstaaten gegenüber 2016 verbessert, so die Kommission weiter. Im Vergleich zu 2019 jedoch habe sich die Unabhängigkeit der Justiz in der öffentlichen Wahrnehmung in etwa zwei Fünfteln aller Mitgliedstaaten und in etwa der Hälfte der Mitgliedstaaten, die mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind, verschlechtert. Der am häufigsten genannte Grund für die als unzulänglich wahrgenommene Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern sei Einmischung beziehungsweise Druck durch Regierungen und Politiker gewesen, gefolgt von Druck durch Wirtschaftsakteure oder andere Interessenträger.

Verbesserungen bei Zugänglichkeit und Geschlechtergleichstellung

Fast alle Mitgliedstaaten bieten laut Kommission online Zugang zu bestimmten Informationen über ihr Justizsystem, und eine Mehrheit von ihnen stelle auch Informationen für seh- oder hörbehinderte Menschen sowie für Nichtmuttersprachler bereit. Die Mitgliedstaaten träfen nach und nach Vorkehrungen, um Gerichtsentscheidungen in maschinenlesbarer Form zur Verfügung zu stellen, wobei die Fortschritte von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausfielen. Maschinenlesbare Urteile seien benutzerfreundlicher und für die breite Öffentlichkeit leichter zugänglich. Fast alle Mitgliedstaaten hätten zumindest gewisse Erleichterungen für Kinder eingeführt, zum Beispiel Maßnahmen für kindgerechte Anhörungen. Allerdings gebe es in weniger als der Hälfte der Mitgliedstaaten kindgerechte Websites mit Informationen über das Justizsystem. In den meisten Mitgliedstaaten seien an den obersten Gerichten zwar nach wie vor weniger als 50% der Richterstellen mit Frauen besetzt, doch habe sich der Anteil der Richterinnen allgemein seit 2010 in den meisten Mitgliedstaaten weiter erhöht.

Folgen der COVID-19-Krise in aktuellem Barometer nicht erfasst

Das 2013 erstmal erschienene EU-Justizbarometer ist Teil des Instrumentariums der EU zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, mit dem die Kommission die von den Mitgliedstaaten durchgeführten Justizreformen begleitet. Mit dem Justizbarometer werden Unabhängigkeit, Qualität und Effizienz der nationalen Justizsysteme beurteilt. Es enthält auch aktualisierte Indikatoren zu Disziplinarverfahren gegen Richter und zur Ernennung von Mitgliedern der Räte für das Justizwesen. Das diesjährige Justizbarometer enthält erstmals auch einen konsolidierten Überblick über Maßnahmen für eine kinderfreundliche Justiz und Informationen über Gerichtsgebühren und Rechtskosten. Da das Justizbarometer 2020 den Zeitraum 2012 bis 2019 abdeckt, sind die Folgen der COVID-19-Krise darin noch nicht erfasst.

Redaktion beck-aktuell, 13. Juli 2020.