EU-Justizbarometer: Digitalisierung hilft Gerichten in der Covid-19-Pandemie

Die Europäische Kommission hat heute das EU-Justizbarometer 2021, den Jahresüberblick über die Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit der Justizsysteme in allen Mitgliedstaaten veröffentlicht. Im Mittelpunkt des diesjährigen Justizbarometers steht die Digitalisierung der Justiz, die es den Gerichten ermöglicht habe, ihre Arbeit während der Covid-19-Pandemie fortzusetzen, und durch die sich allgemein die Leistungsfähigkeit der Justizsysteme und der Zugang zur Justiz verbessert habe.

Digitalisierung der Justizsysteme: Noch Luft nach oben

Das Justizbarometer liefert erstmals eine Bestandsaufnahme, wie weit die digitale Transformation in den Justizbehörden fortgeschritten ist. Die Covid-19-Pandemie habe deutlich gemacht, dass die Mitgliedstaaten ihre Justizsysteme modernisieren müssten, so die für Werte und Transparenz zuständige Vizepräsidentin der Kommission Věra Jourová. Die Ergebnisse zeigten zwar, dass in fast allen Justizsystemen Videokonferenzsysteme genutzt würden und dass das Personal in den allermeisten Mitgliedstaaten geschützt im Homeoffice arbeiten könne. Außerdem würden die Gerichte in den meisten Mitgliedstaaten bereits unterschiedliche digitale Lösungen zugunsten der Bürgerinnen und Bürger nutzen. Dennoch gebe es durchaus noch Raum für Verbesserung. Was die Nutzung digitaler Lösungen wie Blockchain oder künstliche Intelligenz anbelange, so würden diese von den meisten Mitgliedstaaten bereits genutzt, wenn auch in unterschiedlichem Maß. Es gebe aber noch viel Luft nach oben.

Wahrnehmung der Unabhängigkeit der Justiz in der Bevölkerung nach wie vor problematisch

Die Neuerungen in der Ausgabe von 2021 legten Chancen und Risiken offen und ermöglichten eine sinnvollere politische Debatte über die Justizpolitik in der Union, so EU-Justizkommissar Didier Reynders. Diese sei nötiger denn je: Zwar habe sich die Unabhängigkeit der Justiz seit 2016 nach Ansicht der Öffentlichkeit in zwei Dritteln der Mitgliedstaaten verbessert. Jedoch sei im Vergleich zum Vorjahr festzustellen, dass in etwa zwei Fünfteln der Mitgliedstaaten die Unabhängigkeit der Justiz skeptischer beurteilt werde. Der am häufigsten genannte Grund für die als unzulänglich wahrgenommene Unabhängigkeit der Richterschaft sei Einmischung bzw. Druck durch Regierungen und Politik - gefolgt von Druck durch die Wirtschaft oder andere Interessenträger. "Mich beunruhigt, dass in den Augen der Bevölkerung die Unabhängigkeit der Justiz in einigen Ländern während der Pandemie weiter abgenommen hat. Politiker sollten der Versuchung widerstehen, den Druck auf unabhängige Richter mit der Pandemie zu entschuldigen", mahnt Jourová.

Vertrauen in deutsche Gerichte vergleichsweise hoch

Besonders negative Entwicklungen bei der Beurteilung gab es laut der Analyse in Ländern wie Schweden, Dänemark, Ungarn, Zypern und Kroatien. In Deutschland beurteilten die Befragten die Unabhängigkeit der Justiz hingegen positiver als noch 2020. 80% von ihnen bewerteten sie als recht gut oder besser. Zum Vergleich: In Ungarn schätzten zum Beispiel lediglich 41% der Befragten die Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern als gut ein, in Polen waren es nur 30%. Den niedrigsten Wert gab es in Kroatien mit nur 17%, den höchsten in Österreich mit 84%.

Neue Indikatoren zur Überprüfung der Unabhängigkeit der obersten nationalen Gerichte

Das Justizbarometer enthält dieses Jahr außerdem zwei neue Indikatoren, die einen Überblick über die Stellen und Behörden geben, die an der Ernennung von Richterinnen und Richtern an den obersten Gerichten beteiligt sind. Als letztinstanzliche Gerichte sind die obersten Gerichte von entscheidender Bedeutung für die einheitliche Anwendung des Rechts in den Mitgliedstaaten. Die Mitgliedstaaten müssten daher das Ernennungsverfahren so gestalten, dass richterliche Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gewährleistet seien, so die Analyse. Das Unionsrecht verpflichte die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass Richterinnen und Richter nach ihrer Ernennung bei der Ausübung ihres Amtes keinem Druck ausgesetzt seien und keinen Weisungen der Ernennungsbehörde unterlägen.

EU-Justizbarometer: Effizienz, Qualität, Unabhängigkeit

Das im Jahr 2013 erstmals erschienene EU-Justizbarometer ist Teil des Instrumentariums der EU zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, mit dem die Kommission die Justizreformen in den Mitgliedstaaten begleitet. Das Justizbarometer konzentriert sich auf die drei Hauptbausteine eines leistungsstarken Justizsystems: Effizienz, Qualität und Unabhängigkeit. Die im EU-Justizbarometer enthaltenen Angaben tragen zum Monitoring im Rahmen des Europäischen Mechanismus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit bei und fließen in den jährlichen Bericht der Kommission über die Rechtsstaatlichkeit ein. Die Ergebnisse des EU-Justizbarometers 2021 sind auch in die länderspezifische Bewertung im Rahmen des Europäischen Semesters 2021 und in die Bewertung der Resilienz- und Aufbaupläne der Mitgliedstaaten eingeflossen, in denen die aus der Aufbau- und Resilienzfazilität zu finanzierenden Investitions- und Reformmaßnahmen aufgeführt sind.

Redaktion beck-aktuell, 9. Juli 2021 (ergänzt durch Material der dpa).