EU-Einigung: Ab 2035 nur noch emissionsfreie Autos

In der Europäischen Union dürfen ab 2035 nur noch emissionsfreie Pkw zugelassen werden. Wie die Europäische Kommission am Freitag mitteilte, haben sich darauf das Europäische Parlament und der Rat geeinigt. Die Übereinkunft von vergangener Nacht sehe als Zwischenschritte vor, dass die durchschnittlichen CO2-Emissionen von neuen PKW bis 2030 um 55% und von leichten Nutzfahrzeugen um 50% sinken müssen. Rat und Parlament müssen die Einigung noch formal beschließen.

Timmermans: Starkes Signal an die Industrie und die Verbraucher

Die Kompromiss-Entscheidung der Unterhändler soll im Jahr 2026 erneut überprüft werden können. In dem Kompromiss-Papier ist auch eine Bitte an die EU-Kommission festgehalten, zu überprüfen, ob sogenannte E-Fuels für Autos künftig in Frage kommen könnten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frans Timmermans, Exekutivvizepräsident für den Europäischen Grünen Deal, begrüßen die Einigung von Parlament und Rat. Ursula von der Leyen schrieb auf Twitter, die politische Einigung sei ein entscheidender Meilenstein für die Verwirklichung der europäischen Klimaziele. "Sie wird Innovation und die führende europäische Rolle in Industrie und Technologie fördern", betonte sie. "Diese Übereinkunft sendet ein starkes Signal an die Industrie und die Verbraucher: Europa vollzieht den Übergang zu emissionsfreier Mobilität", sagte Timmermans. Die europäischen Automobilhersteller würden bereits Initiative ergreifen; es würden immer mehr Elektroautos auf den Markt kommen. Die Geschwindigkeit, mit der sich dieser Wandel in den letzten Jahren vollzogen habe, sei bemerkenswert, lobte Timmermans.

Ampelkoalition lobt Entscheidung

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) begrüßte die Einigung. "Die Entscheidung ist eine klare Weichenstellung für wirkungsvollen Klimaschutz im Verkehr", sagte sie. Mit diesem Ergebnis könne die Europäische Union "mit einer glaubhaften Verhandlungsposition" zur Weltklimakonferenz in Ägypten fahren. Die Grünen im Bundestag teilten mit, dass nun weitere Schritte zur Vermeidung und zur Verlagerung von Verkehr folgen müssen, um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen. Zustimmung kam auch aus der SPD-Bundestagsfraktion. Die Zulassung ausschließlich CO2-neutraler PKW ab 2035 schaffe dringend benötigte Planungssicherheit für die Automobilwirtschaft und Verbraucher, sagte Vize-Fraktionschef Detlef Müller. Jetzt müsse es darum gehen, die Voraussetzungen für die Antriebswende zu verbessern und den Absatzmarkt für Elektromobilität zu stärken. FDP-Chef Christian Lindner sprach bezüglich der Entscheidung zu E-Fuels von einer klugen Entscheidung, die Technologieoffenheit sichere.

Kritik aus der Union

Der Unions-Verkehrspolitiker Thomas Bareiß (CDU) kritisierte dagegen die EU-Entscheidung scharf. "Der gestrige Tag war kein guter Tag für den Industriestandort Deutschland und die bezahlbare Mobilität", sagte Bareiß der dpa. Die Einigung schränke Wirtschaft, Markt und Technologien weiter ein. Es handele sich um eine "rein politisch motivierte Technologieumstellung". Der Prüfauftrag zu den E-Fuels sei "rechtlich nicht bindend", betonte Bareiß mit Blick auf die Forderung der Liberalen. "Die FDP ist wieder einmal als Tiger gestartet und als Bettvorleger von Frau Lemke gelandet", bilanzierte er. Scharfe Kritik kam auch aus der AfD-Fraktion im Bundestag.

Industrie fordert schnelle Planungssicherheit

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) bemängelte den Entschluss ebenfalls: "Es ist fahrlässig, Ziele für die Zeit nach 2030 festzulegen, ohne entsprechende Anpassungen aufgrund aktueller Entwicklungen vornehmen zu können", sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Als Beispiele nannte sie den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Zudem sprach sie sich dafür aus, E-Fuels für die Bestandsflotte an Verbrennern zu nutzen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) bezeichnete das Aus für Verbrenner als eine "folgenschwere Entscheidung" und forderte schnell Planungssicherheit. Die Entscheidung setze vor allem der Zulieferindustrie mit ihren Hunderttausenden Beschäftigten stark zu, teilte BDI-Vize-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch mit. Die Industrie erwarte vom EU-Parlament, dass es sich für die notwendige Infrastruktur jetzt mit der gleichen Leidenschaft einsetze wie für das Verbot des Verbrennungsmotors. Zudem müsse eine konkrete Lösung für den Einsatz klimaneutraler Kraftstoffe gefunden werden.

Streit um E-Fuels

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) begrüßte den Kompromiss dagegen: "Das ist enorm wichtig, um unsere Klimaziele zu erreichen. Wir müssen dafür auf alle verfügbaren klimafreundlichen Technologien zurückgreifen", sagte er. E-Fuels seien "die einzig überzeugende Antwort auf die Frage, wie die Bestandsflotte in Europa klimafreundlich werden kann". Ganz anders sah das der ökologisch Verkehrsclub VCD: Es handle sich lediglich um einen unverbindlichen Prüfauftrag. E-Fuels seien ineffizient, teuer und absehbar nur in geringen Mengen verfügbar. Damit seien sie keine Lösung für den Straßenverkehr, hieß es. E-Fuels sind künstlich hergestellte Kraftstoffe.

Redaktion beck-aktuell, 28. Oktober 2022 (ergänzt durch Material der dpa).