Menschenrechtsverletzungen durch EU-Grenzbeamte: Eindruck der "Straflosigkeit"

Mutmaßliche Misshandlungen oder unterlassene Hilfe durch Grenzschützerinnen und Grenzschützer an den EU-Außengrenzen haben zu selten Folgen. Einem Bericht der EU-Grundrechteagentur zufolge sind laufend Migranten und Flüchtlinge davon betroffen, zu Verurteilungen komme es aber fast nie.

"Es herrscht ein Eindruck von Straflosigkeit", heißt es in dem Dokument der Grundrechteagentur der Europäischen Union (FRA) in Wien. Der Bericht konzentriert sich auf Länder der EU-Außengrenze - vom Ärmelkanal über das Mittelmeer bis zu den Grenzen im Osten, am Balkan und im Ägäischen Meer. Glaubhafte Berichte von Gewalt, Misshandlungen, unterlassener Hilfe oder Zurückweisung von Schutzsuchenden - sogenannte Pushbacks - würden laufend von Organisationen der Vereinten Nationen und des Europarates sowie von Menschenrechtlern vorgebracht, hieß es.

Opfer reichten jedoch selten Klagen gegen die zuständigen Behörden ein, erläuterte die FRA. Denn sie misstrauten den Behörden, hätten Angst vor Vergeltungsmaßnahmen oder seien sich ihrer rechtlichen Optionen schlicht nicht bewusst. Komme es doch zu einer Untersuchung, gestalte sie sich oft schwierig, da Beweise rar seien, insbesondere nach Verstößen in abgelegenen Gebieten oder bei Nacht. Zudem seien die Ermittlungen oft nicht unabhängig, nicht gründlich, dauerten zu lange und bezögen selten die Opfer ein. Deswegen würden Betroffene eher den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als nationale Gerichte anrufen, stellte die FRA fest. Der Gerichtshof in Straßburg habe in den vergangenen Jahren unter anderem Mängel bei Untersuchungen zu einem Schiffbruch mit elf Toten in Griechenland und zu einem toten sechsjährigen afghanischen Kind in Kroatien festgestellt.

Zwischen 2020 und 2023 stieß die FRA auf 118 disziplinäre Untersuchungen gegen Grenzbeamte in 16 Ländern, die sie in ihrem Bericht festhielt. Strafmaßnahmen gegen Beamte sind der Grundrechteagentur nur in acht Fällen bekannt - vier in Kroatien und vier in Ungarn. Im gleichen Zeitraum gab es demnach auch mindestens 84 strafrechtliche Untersuchungen gegen Grenzschützer, aber nur drei Verurteilungen. Obwohl in Griechenland die größte Anzahl der mutmaßlichen Fälle festgehalten wurde, wurden dort laut FRA keine Beamte disziplinär oder strafrechtlich belangt. Jährlich gehen auch dutzende Beschwerden gegen die EU-Grenzschutzagentur Frontex ein, hieß es in dem Bericht.

FRA fordert Umgestaltung des Verfahrens

Die FRA fordert von den EU-Staaten deutliche Verbesserungen und nennt auch einige Ansatzpunkte. Sie schlägt vor, dass Menschenrechtsorganisationen Zeugenaussagen zu Rechtsverletzungen dokumentieren sollten. Auch die nationalen Behörden sollten transparenter werden und regelmäßig Statistiken über die Anzahl und Art der Disziplinar- und Strafuntersuchungen sowie deren Ergebnisse veröffentlichen.

Fälle sollten an spezialisierte Staatsanwaltschaften gehen, die unvoreingenommene Untersuchungen gewährleisten können. Dazu sollen sie klare Richtlinien für die Untersuchungen erhalten. Die Behörden sollten die Anwälte de Opfer oder Opferschutzorganisationen anhören, um sicherzustellen, dass deren Stimme einen Platz im Verfahren erhält.

Schließlich fordert die FRA, dass Ermittler Überwachungsaufnahmen, GPS-Daten von Fahrzeugen der Behörden und, soweit gesetzlich zulässig, Positionsdaten aus Handys von Beamten, Opfern und Zeugen nutzen, um Ereignisse besser rekonstruieren zu können.

Redaktion beck-aktuell, js, 30. Juli 2024 (ergänzt durch Material der dpa).