Grüne: EU-Klimapaket großer Schritt, aber Nachschärfung erforderlich
"Ein sehr großer Schritt für die EU" seien das Gesetzespaket und die Zustimmung des EU-Parlaments, auch wenn die Maßnahmen noch nicht ausreichten, um den Temperaturanstieg in diesem Jahrhundert auf 1,5 Grad zu begrenzen, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für EU-Angelegenheiten Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen). Die Klimakrise bedrohe alle. Daher sei die EU "genau die richtige Ebene", dem zu begegnen, denn "die EU ist groß und relevant genug, die Rahmenbedingungen zu setzen, um aus den fossilen Rohstoffen auszusteigen und dabei Gerechtigkeit zu schaffen" zwischen reicheren und ärmeren Mitgliedstaaten. Die Klimawende dürfe im Übrigen nicht nur als Gefahrenabwehr verstanden werden, sondern biete Bürgerinnen und Bürgern sowie der Wirtschaft große Chancen. Man müsse die eingeleiteten Schritte "in knapper Zeit" nun "nachschärfen". Die Bundesregierung solle im Europäischen Rat entsprechend verhandeln. "Im Schulterschluss mit Frankreich" gelte es, den Klimaschutz in Europa nun voranzutreiben, sagte die Vorsitzende des Unterausschusses Internationale Klima- und Energiepolitik Lisa Badum (Bündnis 90/Die Grünen). Angesichts der Energiekrise infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine biete sich die Chance, bei der Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energieträger und auf dem Weg zu größerer Energieunabhängigkeit voranzuschreiten und auch skeptische und ärmere Länder wie die mittelosteuropäischen Staaten mitzunehmen. Die EU müsse letztlich noch über das jetzt debattierte Fit-for-55-Arrangement hinausgehen.
Staatsministerin Lührmann: "Wir sind auf der Zielgeraden"
"Wir sind auf der Zielgeraden", berichtete Anna Lührmann, Staatsministerin für Europa und Klima im Auswärtigen Amt über den Stand der Aushandlung des Gesetzespaketes zwischen den EU-Institutionen und den Mitgliedstaaten. Das EU-Parlament habe einen Kompromiss gefunden. Sie hoffe nun auf einen konstruktiven Dialog zwischen Rat und Parlament im Herbst. Es gelte, die Emissionen bis 2030 um 55% zu reduzieren und bis 2050 CO2-neutral zu werden. Jeder, der irgendetwas aus dem angestrebten CO2-Budget streichen wolle, müsse einen entsprechenden Gegenvorschlag machen, um das zu kompensieren, betonte Lührmann.
Stiftung Wissenschaft und Politik: Risiko Ukrainekrieg
Dass das Klimapaket der EU "eine andere Nummer" sei als alle bisherigen Klimaschutzmaßnahmen, unterstrich Susanne Dröge von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Eine Fülle neuer Regeln werde nun in kürzester Zeit auf den Weg gebracht. "Das ist eine Erweiterung, alles ist noch im Fluss". Ein Risiko berge der Ukrainekrieg. Vor seinem Hintergrund sei ein starker Anstieg der Energiepreise zu sehen, wobei man sich fragen müsse, welche Preissteigerungen bei der Verteuerung fossiler Brennstoffe die Gesetzgeber den Konsumenten zumuten wollten. Ärmere Bürger und Länder müssten über die Einnahmen des Emissionshandels finanzielle Kompensation erhalten. Insgesamt würden die Finanzbedarfe für den Klimaschutz in den Staatshaushalten steigen. Das werde nicht einfacher, da sie außerdem die Folgekosten der Pandemie stemmen müssten.
Naturschutzring: Emissionszertifikate Industrie nicht mehr kostenlos zuteilen
Nicht ambitioniert genug nannte Antje Mensen, Referentin für EU-Klima- und Energiepolitik beim Deutschen Naturschutzring, das Klimapaket. Zwar sei es aus Sicht der Umweltverbände ein wichtiger Schritt. "Aber damit befindet man sich keinesfalls auf einem 1,5 Grad-Pfad." Dafür müssten die Maßnahmen weiter geschärft werden. So enthalte die Einigung zum Emissionshandel nur leichte Verbesserungen. Emissionszertifikate dürften der Industrie aber keinesfalls mehr kostenlos zugeteilt werden. Derartige "Subventionen mit der Gießkanne" müssten ein Ende haben. Mensen forderte die Bundesregierung auf, bei den kommenden Verhandlungen als Treiber und Gestalter in Sachen Klimaschutz aufzutreten und nicht als Bremser, gerade was die Neuregelungen in "schwierigen Sektoren" wie Bau und Verkehr und den Ausbau des Sozialfonds betreffe.
Germanwatch: "Finanzierung steht auf wackeligen Beinen"
Sämtliche Maßnahmen des Fit-for-55-Pakets seien gleich wichtig und nötig, betonte Audrey Mathieu von der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch. Man müsse die europäischen Klimaschutzbemühungen jedoch in einen globalen Kontext stellen. Um dem EU-Paket zu einem Erfolg zu verhelfen, müsse man alle Mitgliedstaaten dafür gewinnen und soziale Härten mit dem Klimasozialfonds abfedern. Vielerorts fehlten aber noch Alternativen zu bisherigen Energieträgern und Antriebsarten, es komme zu Energie- und Mobilitätsarmut. Damit die EU den "Green Deal" schaffe und das Ziel der Klimaneutralität nicht verstolpere, seien "gigantische" Investitionen nötig, fügte Mathieu hinzu. Bis zum Jahr 2030 brauche man "530 Milliarden Euro im Jahr zusätzlich". Für Deutschland bedeute das etwa 100 Milliarden Euro Mehrkosten. Doch die Finanzierung stehe momentan noch auf sehr wackeligen Beinen, die Vorschläge hierzu seien der schwarze Fleck auf den ansonsten guten Bemühungen der EU-Kommission.